Gedanken für den Tag

Von Hubert Gaisbauer, Publizist. "Ich habe keinen Gott, aber Gott hat mich" - Zum 75. Todestag von Ernst Barlach. Gestaltung: Alexandra Mantler

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges war Ernst Barlach durchaus von nationalem Pathos ergriffen - wie übrigens viele Künstler. Aber der Krieg wandelt seine Einstellung vom Patrioten zum Pazifisten. Seine späteren "Ehrenmale" wären besser "Mahnmale" zu nennen. Sie lassen Trauer und Erschütterung, aber keine Spur von Heldenverehrung aufkommen. Deshalb wurden sie auch von den Nationalsozialisten entfernt, manche, wie der berühmte "Schwebende Engel" im Dom zu Güstrow, sogar zerstört und für Kriegszwecke eingeschmolzen. Barlach spürte, dass seine Arbeiten "den Blickgewohnheiten der Leute zuwider" sind, Hetzkampagnen wurden gegen ihn, den "Kulturbolschewiken" initiiert.

Barlach war ein zutiefst moralischer aber gleichzeitig ein politisch naiver Mensch. Bereits 1933 protestiert er zwar in einer Rundfunkrede mutig gegen den Ausschluss von Käthe Kollwitz und Heinrich Mann aus der Preußischen Akademie, unter anderem mit den Worten: "Erniedrigend ist beides, das Schweigen sowie die Erzwingung des Schweigens" - aber kaum ein Jahr später hat er mit anderen Künstlern - darunter Emil Nolde und Mies van der Rohe - eine Solidaritätserklärung für Hitler unterzeichnet. In der naiven Annahme, dann vielleicht doch in Ruhe weiterarbeiten zu können. Ein doppelt tragischer Irrtum. Als "Gift für das Volk" wurden Hunderte seiner Arbeiten aus Kirchen und Museen entfernt. Die berührende Skulptur aus Nussbaumholz, genannt "Das Wiedersehen", Jesus und den ungläubig-gläubigen Thomas darstellend, wurde 1937 zu einer Hauptattraktion der Nazi-Propagandaausstellung "Entartete Kunst" in München. Für Barlach ein Griff ans Herz. In seinem Güstrower Tagebuch ist einmal zu lesen: "Alles verlieren, nichts sein, nichts haben, und doch wissen, dass Gott Gott ist, darauf käme es an."

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Johann Sebastian Bach
Titel: Suite für Violoncello solo Nr. 4
* Sarabande
I: Jaap ter Linden
Länge: 02:00 min
Label: Brillant Classics 93102/13

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