Passagen

Aus dem RadioKulturhaus.
"Bürger, Lasst uns in der Liebe hausen": Wolf Biermann - politisch und privat im Gespräch mit Johannes Kaup.
Aufgenommen im RadioKulturhaus am 11. Oktober 2013.
Bearbeitung: Robert Weichinger

Es gibt wohl keinen Künstler, an dem so deutlich das Scheitern des realexistierenden Sozialismus in der DDR ablesbar wäre, wie an Wolf Biermann. Sein Vater, ein Kommunist und Jude, wird in Auschwitz ermordet. 1953, nach Stalins Tod, übersiedelt der in Hamburg gebürtige Wolf Biermann siebzehnjährig - kurz vor dem Arbeiteraufstand - nach Ostdeutschland und bekommt prompt die Staatsbürgerschaft des Arbeiter- und Bauernstaates. Er beginnt Lieder und Gedichte zu schreiben. In Anlehnung an Brechts "Stückeschreiber" erfindet er das Wort "Liedermacher". Zunehmend setzt er sich kritisch mit den politischen Einschränkungen der Meinungs-und Redefreiheit und den Repressalien durch die Stasi auseinander. Bereits im November 1965 bekommt er totales Auftritts- und Publikationsverbot. Durch Handabschriften und Tonbandkopien werden seine Lieder aber weiter im Untergrund verbreitet. Da erseine Werke in der DDR nicht veröffentlichen darf, lässt Biermann sie über die Grenze in den Westen schmuggeln, wo sie als Bücher oder Schallplatten auf den Markt kommen. 1976 wird Biermann - gegen alle Rechtsnormen - aus der DDR ausgebürgert. Dies löst eine ungeahnte Protestwelle in Ost und West aus, die für manche Zeithistoriker den Anfang vom Ende der DDR markiert. 1990 ist Biermann einer der Besetzer der Ostberliner Stasi-Zentrale Normannenstraße, die die weitere Vernichtung der Akten des Staatssicherheitsdienstes verhindern. Auch im Westen mischt Wolf Biermann sich mit neuen Liedern und Gedichten ein. Er wird mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet. Biermann veröffentlicht neben seiner poetischen Produktion eine Serie scharfzüngiger Essays, mit denen er sich wirkungsvoll in den tagespolitischen Streit einmischt. Seine Gedichtbände zählen zu den meist verkauften der deutschen Nachkriegsliteratur.

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