Betrifft: Geschichte

Spieglein, Spieglein an der Wand. Österreichische Photographie vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1950er Jahre. Mit Anton Holzer, Fotohistoriker, Publizist und Herausgeber. Gestaltung: Martin Adel

Das Wort von "ein Bild sagt mehr als 1000 Worte" ist natürlich Unsinn; das wissen alle, die auf ein hübsches ansprechendes Foto hin Urlaub oder Hotel gebucht haben und enttäuscht worden sind. Nur um ein Beispiel zu nennen. Bilder haben andere Qualitäten als die Sprache, und nicht zuletzt die Entwicklung der historischen Photographie ergänzt in völlig eigener Weise, aber eindringlich wie ausdrucksstark, was wir aus eigener Anschauung nicht mehr kennen, sondern bloß aus Erzählungen, Dokumenten und Berichten.

Aber der Blick durch die Kamera ist ein Stück weit wie der Blick durchs Schlüsselloch. Und wie dieser nicht nur einen begrenzten Ausschnitt wahrnimmt, zugleich aber sehr viel über den Voyeur verrät, so verraten auch Sujet, Blickwinkel und v.a. was überhaupt des Ablichtens für wert befunden wurde, ebenso viel über die Aufmerksamkeit des Photographen und, darüber hinaus, über die Sensibilitäten seiner Zeit. In Bildern lesen wir ganz anders als in Büchern, Texten. Der erste Eindruck ist sicher schneller. Dennoch lohnt es sich, wie das Gesehene, auch das Fotografierte näher zu analysieren: Photographie als bemerkenswerter Bereich moderner Kunst hat sich nicht nur (wie diese ganz allgemein) stilistisch immer wieder gewandelt; auch in ihr schlägt sich seismographisch das jeweilige Zeitgeschehen nieder, nur vielleicht noch haptischer und spontaner. Die scheinbare Objektivität beruht ja nur auf der Neutralität der optischen Gesetze und Apparate. Aber die Augen hinter dem Objektiv sind so subjektiv wie wir alle. Vielleicht bilden sich kolonialer Rassismus, Technik- und Kriegsbegeisterung, Angst und Schauer angesichts der entstehenden Massengesellschaft oder auch Formen des Begehrens nirgends so gut nachvollziehbar ab wie in den Abbildungen nackter Orientalinnen und Zugsunglücken, in detonierendem Geschützfeuer und Massenunruhen, in Modefotos, Naturaufnahmen und Aktfotos. Alles Spiegel von Augen, die großteils längst erloschen sind; aber wir können immer noch davor stehen, schauen und vielleicht anders verstehen.

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