Da capo: Im Gespräch

Renata Schmidtkunz spricht mit Norbert Leser, Sozialphilosoph

Ein tiefgläubiger Katholik ist er. Und Mitglied einer katholisch-monarchistisch-österreichischen Landsmannschaft namens Maximiliana. Er hätte es lieber, ins Grab die Kappe und das Band der Landsmannschaft nachgeworfen zu bekommen als Hammer und Sichel der Sozialdemokratie, sagt er.

Norbert Leser, geboren 1933 in Oberwart, emeritierter Sozialphilosoph an der Universität Wien.
Aufgewachsen ist er als Sozialdemokrat, aber schon früh überwog seine Kritik an der Sozialdemokratie. Ganz besonders, seit er sich Mitte der 1960-er Jahre im Rahmen seiner Habilitationsschrift mit der Geschichte des Austromarxismus beschäftigte. "Zwischen Reformismus und Bolschewismus" - so der Titel seiner Arbeit - ist heute ein Standardwerk der österreichischen Zeitgeschichte.

Austromarxismus nennt man jene Variante des Marxismus, die von Otto Bauer begründet wurde und deren Ziel es zwischen 1918 und 1934 war, die "Diktatur des Proletariats" mit einer parlamentarischen Mehrheit herzustellen und so die Vorherrschaft der Bourgeoisie zu bekämpfen. So jedenfalls formulierte man das damals.

Norbert Leser war das zu radikal. Mehr interessierte ihn die Versöhnung der Sozialdemokratie mit der Katholischen Kirche. Dafür setzte er sich gemeinsam mit vielen anderen ein: im Februar 1973 hielt Kardinal Franz König seine legendär gewordene Rede vor dem Bundesvorstand des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, die der Auftakt einer neuen Ära zwischen Katholiken und Sozialdemokraten in Österreich war.

1971 wurde Norbert Leser von Wissenschaftsministerin Herta Firnberg zum ersten Ordinarius für Politikwissenschaft an der Universität Salzburg ernannt. Von 1980 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2001 lehrte er als Ordinarius für Gesellschaftsphilosophie an der Universität Wien, eine Stelle, die erst 2011 wieder besetzt wurde. Neben seiner Lehrtätigkeit an der Universität leitete er ab 1984 auch das Ludwig-Boltzmann-Institut für Neuere österreichische Geistesgeschichte in Wien.
2008, zum 120. Geburtstag der Österreichischen Sozialdemokratie, erschien sein Buch "Der Sturz des Adlers", in dem er eine schonungslose Kritik der Sozialdemokratie vorlegte.
Seine jüngste Publikation beschäftigt sich mit Kirche, Glaube, Religion: "Gott lässt grüßen. Wider die Anmaßung des Reduktionismus und Evolutionismus" - so der Titel.

Norbert Leser ist ein Mitglied des Pen-Clubs, ein begeisterter Liebhaber des Wiener Liedes und Träger zahlreicher Auszeichnungen wie Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse und den Preis der Stadt Wien für Geisteswissenschaften.

Service

Norbert Leser, "Gott lässt grüßen. Wider die Anmaßung des Reduktionismus und Evolutionismus", Ibera Verlag Wien, 2013

Norbert Leser, "Skurrile Begegnungen. Mosaik zur österreichischen Geistesgeschichte", mit einem Vorwort von William M. Johnston, Böhlau Verlag Wien, 2011

Sepp Dreissinger, "Norbert Leser: Prophetenschicksal?", Film, 2011

Norbert Leser, "Zwischen Reformismus und Bolschewismus", Böhlau Verlag

Norbert Leser, "Die Odyssee des Marxismus", Molden Verlag

Norbert Leser, "Genius Austriacus: Beitrage zur politischen Geschichte und Geistesgeschichte Osterreichs", Böhlau Verlag

Norbert Leser, "Der Sturz des Adlers: 120 Jahre österreichische Sozialdemokratie", Kremayr & Scheriau 2008

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