Gedanken für den Tag

von Hubert Gaisbauer, Publizist und Kunstexperte. "Nicht Meißeln und nicht Malen verschafft Seelenfrieden" - Zum 450. Todestag von Michelangelo Buonarroti. Gestaltung: Alexandra Mantler

Es wird erzählt, der junge Michelangelo habe eines Tages in der Peterskirche in Rom gehört, wie Reisende vor seiner Pietà diskutiert haben, wer wohl von den großen Bildhauern dieses Meisterwerk geschaffen haben könnte. Alle möglichen Namen sind gefallen, nur der seine nicht. Daraufhin soll er des Nachts mit Talgkerze, Hammer und Meißel hingegangen sein und in das Brustband der Madonna geschrieben haben: Michelangelo Buonarroti aus Florenz hat das gemacht.

Ob wahr oder gut erfunden: Die Pietà ist das einzige Werk, das von seiner Hand signiert worden ist. Er hatte nicht ganz ein Jahr an der Pietà gearbeitet und sie im Mai 1499 vollendet.

Auf den Knien der unsterblich jungen Maria
liegt der schöne tote Christus.

In den Beweinungen Christi des 15. und 16. Jahrhunderts ist Christi Leib zerstochen, gemartert, gebrochen. Maria ist eine ältere, gramgebeugte Frau. Nicht so bei Michelangelos Pietà von St. Peter. Da ist die Mutter Jesu vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt. So alt wie Francesca di Neri war, Michelangelos eigene Mutter, als sie starb. Die Pietà von St. Peter spricht nicht von erlittener Todespein, sondern von Überwindung und Verwandlung, und vom Eingang in absolute Schönheit.

Neben Leonardos "Abendmahl" gibt es kein zweites christliches Kunstwerk auf der Welt, das so bekannt ist wie diese Pietà. Sie ist ein Wallfahrtsort auch ganz säkularer "Kunstandacht". Menschen, die religiöse Ergriffenheit erwarten, sagen oft, sie könnten - gerade wegen der Schönheit und Vollkommenheit des Werks - davor nicht beten, sondern nur staunen. Doch Staunen ist manchmal sogar das bessere Beten.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Francesco da Milano
Titel: La Spagna
Ausführende: Accademia strumentale italiana, Leitung: Alberto Rasi
Länge: 02:00 min
Label: Stradivarius STR 33396

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