Da capo: Im Gespräch
"Die Geschichte der Frauen ist noch nicht erforscht". Renata Schmidtkunz spricht mit Eva Geber, Grafikerin und Autorin
7. März 2014, 16:00
Immer haben Frauen für ihre Rechte und ihre Würde gekämpft, durch alle Jahrhunderte hindurch. Aber dieser Kampf wurde lange Zeit nicht in den Büchern der Menschheitsgeschichte niedergeschrieben. Geschichte war männlich, nicht weiblich. Als aber die Frauen Ende des 19., Anfang des 20.Jahrhunderts nicht nur an Selbstbewußtsein, sondern auch an Unterstützung durch die große politische Emanzipationsbewegung der Sozialdemokratie gewannen, begannen sie, ihre Vorkämpferinnen zu erforschen. Dann kam der Faschismus und in dessen Folge das große Vergessen.
Es brauchte die Arbeit der Frauen der zweiten Frauenbewegung, die Ende der 1960-er Jahre einsetzte, diese in Vergessenheit geratene Geschichte der Frauen durch die Jahrhunderte wiederzuentdecken. Wer waren die Frauen, die für das Wahlrecht gekämpft hatten, für gleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit, für den Schutz vor sexuellen und gewalttätigen Übergriffen und das Recht auf den eigenen Körper? Aus welchen Milieus kamen sie, was waren ihre Strategien, wer unterstütze sie und wer hinderte sie? Welche von ihnen musste im Kampf um Gleichheit und weibliche Selbstbestimmung ihr Leben, ihr Geld, ihre Karriere, ihr Ansehen oder ihr Glück lassen?
In ihrem jüngst im Mandelbaum Verlag erschienen Buch "Der Typus der kämpfenden Frau" hat mein heutiger Gast, die Kulturpublizistin und Mitbegründerin der Autonomen Frauenbewegung AUF, Eva Geber, jahrelang in den Archiven der ehemaligen Arbeiter-Zeitung recherchiert und Texte ans Tageslicht gebracht, die Frauen zwischen 1900 und 1933 über andere Frauen geschrieben haben. Emma Adler, die Frau des Führers der Sozialdemokratie Viktor Adler, schreibt über die Frauen der französischen Revolution, allen voran Olympe de Gouges. Adelheid Popp, ein Proletarierkind, eine begnadete Rednerin und eine der ersten Parlamentarierinnen der Ersten Republik, schreibt über Minna Cauer, die Herausgeberin der radikalen Zeitung "Die Frauenbewegung". Therese Schlesinger schließlich schreibt 1923 in der Arbeiter-Zeitung: "Rosa Luxemburg galt dem deutschen Philister als das Urbild einer blutdürstigen Petroleuse, und auch die hohen Behörden Deutschlands sahen sie schon lange vor dem Weltkrieg nicht ungern hinter Eisengittern."
Service
Eva Geber, Sonja Rotter, Marietta Schneider (Hg.), "Die Frauen Wiens. Ein Stadtbuch für Fanny, Frances und Francesca", Verlag Der Apfel, 1992
Lucia Westerguard, Eva Geber (Hg.), "All das Leid und die Spassettln. Das Leben der Lucia Westerguard", Verlag der Apfel 1995
Britta Cacioppo, Eva Geber, Traude Korosa, "Aufbrüche. Feministische Porträts und Lebensbilder", Mandelbaum Verlag, 2006
Eva Geber, Rosa Mayreder, "Zivilisation und Geschlecht. Ein Lesebuch", Mandelbaum Verlag, 2010
Eva Geber, "Der Typus der kämpfenden Frau. Frauen schreiben über Frauen in der Arbeiter-Zeitung von 1900 - 1933", Mandelbaum Verlag, 2013
Adelheid Popp, "Die Jugendgeschichte einer Arbeiterin", erzählt von ihr selbst, Gleitworte von Agust Bebel, Verlag Universität Innsbruck