Gedanken für den Tag

von Sabine und Roland Bösel, Paartherapeuten und Autoren. "Leih mir dein Ohr" - Dialoge in Freundschaft und Liebe. Gestaltung: Alexandra Mantler

Machtkampf (Roland Bösel)

"Ich habe dich schon wieder nicht erreicht", sage ich. "Nie hast du dein Handy dabei, wenn ich dich brauche." - "Ich war doch nur für zehn Minuten im Blumengeschäft, da nehme ich doch nicht das Handy mit", sagt meine Frau. "Du willst mich nur kontrollieren." - "Kontrollieren?", sage ich. "Ich wollte einen Termin mit dir abstimmen!"

Schuldzuweisungen sind die Waffen des Machtkampfes, der entsteht, wenn die emotionale Verbindung zum Partner oder anderen nahestehenden Personen verloren gegangen ist. Sie werden eingesetzt im Kampf um das Rechthaben. Doch ist es wirklich so wichtig, immer im Recht zu sein?

Schon im biblischen Buch Jesus Sirach heißt es: "Ungerechter Zorn kann nicht Recht behalten, wütender Zorn bringt zu Fall."

Einem Machtkampf mit dem Partner oder einem anderen Mitmenschen geht das Beobachten eines vermeintlich eigenartigen Verhaltens voraus. Wenn sich jemand mir gegenüber seltsam verhält, bin ich geneigt, mich zu verteidigen, und so ergibt ein Wort das andere. Doch: Das Verhalten des anderen ist ein Überlebensmuster, das er von klein auf gelernt hat.

Meine Verteidigung ist übrigens ebenso ein Überlebensmuster. Doch der Impuls, lieber den anderen zu verändern als sich selbst, ist groß. Wenn ich mich darüber ärgere, dass meine Frau schon wieder nicht erreichbar ist, ist es einfach, ihr das vorzuhalten und ihr zu sagen, sie solle ihr Handy einstecken. Doch damit werde ich kaum etwas bewirken.

Ich finde: Der Blick auf das eigene Überlebensmuster, das ich reflexartig an den Tag lege, lohnt sich immer. Ich helfe mir mit dem Theaterblick: Ich setze mich in die Loge und sehe auf der Bühne meines Lebens die Telefonszene. Ich gewinne Distanz zu mir, zum Problem, zum Verhalten meiner Frau. Ich erkenne schließlich, dass mein Ärger nichts anderes ist als das hartnäckige Überbleibsel einer in der Kindheit erfahrenen Einsamkeit.

Diese Selbstreflexion ist anstrengend. Doch sie gibt mir die Möglichkeit, die Perspektive zu wechseln und möglicherweise in meiner Beziehung sogar eine neue Tradition einzuläuten.

Service

Buch, Sabine Bösel und Roland Bösel, "Warum haben Eltern keinen Beipackzettel?", Verlag Orac

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Antonio Vivaldi/1678 - 1741
Titel: Sonate für 2 Oboen und B.c. in g-moll RV 81
* Allegro - 1.Satz (00:01:54)
Solist/Solistin: Burkhard Glaetzner /Oboe
Solist/Solistin: Ingo Goritzki /Oboe
Solist/Solistin: Christine Schornsheim /Cembalo
Solist/Solistin: Siegfried Pank /Viola da gamba
Solist/Solistin: Achim Beyer /Violone
Länge: 02:00 min
Label: Capriccio 10143

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