Europa-Journal
1. Russlands wirksamstes Druckmittel: Der Gashahn
2. Was bleibt vom Erdogan-Besuch in Wien
3. Europäische Machtkämpfe
4. Prag: Auf den Spuren der Besatzungszeit
Moderation: Elisa Vass
20. Juni 2014, 18:20
Russlands wirksamstes Druckmittel: Der Gashahn
Die Bemühungen um eine Lösung des Gaskonflikts zwischen Russland und der Ukraine sind gescheitert, am Montag machte der russische Gasmonopolist Gazprom seine Drohung wahr und stellte die Gaslieferungen an die Ukraine komplett ein. Noch müssen zwar Konsumenten und Industrie weder in der Ukraine noch in anderen europäischen Ländern ohne Gas auskommen; noch sind die Speicher gefüllt. Doch sollte auch über die Sommermonate kein Kompromiss gefunden werden, drohen Versorgungsengpässe.
Eine Lösung zu finden, ist nicht einfach: Denn es geht um Wirtschaft und um Politik. Russland will die Ukraine zwingen, endlich ihre nicht bezahlten Gasrechnungen in Milliardenhöhe zu begleichen, setzt seine Gaslieferungen aber auch wieder einmal als politisches Druckmittel ein, indem der Ukraine ihre Abhängigkeit von Moskau vor Augen geführt wird. Es stellt sich die Frage, ob es überhaupt möglich ist, eine Einigung im Gasstreit zu erzielen, solange die allgemeinen Spannungen zwischen Russland und der Ukraine weiter schwelen. Christian Lininger berichtet aus Moskau.
Was bleibt vom Erdogan-Besuch in Wien
Selten hat der Besuch eines Regierungschefs in Österreich im Vorfeld so hohe Wellen geschlagen wie der des türkischen Ministerpräsidenten Rexhep Tayyip Erdogan diese Woche. Erdogan hat in Wien keine offiziellen Termine bei Politikern, sondern wird in einer Eishalle eine Wahlkampfrede vor tausenden Anhängern halten; höchstwahrscheinlich wird er ja bei der türkischen Präsidentenwahl im August kandidieren. Den Wahlkampf nach Österreich zu tragen, ist dem stark polarisierenden Politiker jedenfalls gelungen: Seine Gegner haben bereits zu Gegendemonstrationen aufgerufen.
Österreichische Politiker sind von dem Besuch gar nicht begeistert: Sie haben Erdogan zu einer sensiblen Wortwahl aufgerufen und ihm deutlich gemacht, dass er als Wahlkämpfer hier eigentlich nicht willkommen ist. Werden die türkisch-österreichischen Beziehungen durch den Besuch belastet? Und schüren die Diskussionen die anti-türkische Stimmung in Österreich? Elisa Vass spricht mit dem Politologen und Türkei-Experten Cengiz Günay.
Europäische Machtkämpfe
Der Countdown zur Ernennung des neuen EU-Kommissionspräsidenten läuft. Beim EU-Gipfel in einer Woche wird feststehen, ob Jean-Claude Juncker, siegreicher Spitzenkandidat der Europawahlen, für dieses Amt nominiert wird. Vor allem der britische Premierminister will das noch verhindern - auch mit Blick auf das EU-Parlament. Die Abgeordneten haben sich massiv für das bisher einzigartige Projekt "Europäischer Spitzenkandidat" stark gemacht. Wird David Cameron im Europäischen Rat überstimmt und Juncker ernannt, würden die Europaparlamentarier im Europäischen Machtgefüge erheblich an Stärke gewinnen.
Doch auch innerhalb des EU-Parlaments geht es derzeit um Kräfteverhältnisse. Es bilden sich neue Fraktionen, wobei sich vor allem europakritische und rechtsnationale Parteien um Gruppenstärke bemühen. Cornelia Primosch hat mit EU-Parlamentariern und Experten gesprochen.
Prag: Auf den Spuren der Besatzungszeit
Es war eine Premiere: Zum ersten Mal wurde in Tschechien ein Sachbuch mit dem renommierten Literaturpreis "Buch des Jahres" ausgezeichnet. Jiri Padevet, Direktor des Fachverlags Academia, hat den mit rund 800 Seiten nicht wirklich handlichen Reiseführer über Prag während der deutschen Besatzungszeit geschrieben, um ein Stück Vergangenheitsbewältigung zu Papier zu bringen.
Im "Reiseführer durch das Prag des Protektorats" wird die Atmosphäre der Besatzungszeit von 1939 bis 1945 detailreich geschildert und illustriert. Für den Autor ist es eine Sammlung starker Geschichten, die den Widerstand der Bevölkerung verdeutlichen soll. Doch auch die Kollaborateure und die Nazis werden beschrieben. Das Buch ist auf dem besten Weg, zum Bestseller zu werden, da sich die Prager mehr für die Geschichte ihrer Stadt interessieren, als sich das Jiri Padevet je hätte vorstellen können. - Kilian Kirchgeßner hat sich mit dem Hobby-Historiker auf einen Spaziergang durch das Prag des Protektorats gemacht.