Gedanken für den Tag

von Peter Schwarz, Geschäftsführer des Psychosozialen Zentrums ESRA. "Vertrieben, verfolgt, auf der Flucht". Gestaltung: Alexandra Mantler

"Wir, in ESRA, betreuen und behandeln unter anderem Überlebende der nationalsozialistischen Verfolgung". Wenn ich jemandem so etwas erzähle, ist die häufigste Reaktion, "ob nach so langer Zeit diese Menschen nicht bereits ihre Erfahrungen verarbeitet hätten".

Menschen, die nicht sehr eng mit Überlebenden der NS-Verfolgung zu tun hatten, können sich gar nicht vorstellen, wie lange Menschen an Unmenschlichkeiten, die ihnen vor Jahrzehnten zugefügt wurden, auch heute noch leiden können und manche auch noch an Folgegenerationen weitergeben.

Viele der Menschen, die ihre Verfolgung überlebt haben - Juden, Roma, Sinti, Slowenen, politisch Verfolgte, Homosexuelle, ohne damit alle möglichen NS-Verfolgungsgründe genannt zu haben - konnten sich nach 1945 eine neue Existenz, eine neue Familie schaffen, nachdem sie all dies in den Jahren davor verloren hatten.

Die Überlebenden der NS-Verfolgung, die heute noch unter uns sind, sind fast alle nicht mehr berufstätig, ihre Kinder sind aus dem Haus, viele sogar im Ausland. Viele sind verwitwet.

Das bedeutet für einen großen Teil dieser Menschen, dass sie viel Zeit alleine verbringen müssen, grübeln und oft auf Erinnerungen zurückgeworfen werden, die für sie sehr bedrückend und auch dramatisch sind. Folgen sind Schmerzzustände, Schlaflosigkeit, Depressionen oder andere Symptome der Posttraumatischen Belastungsstörungen, wie es in der Fachsprache heißt.

Wir, in ESRA, versuchen dieses Leid zu lindern. Dies gelingt uns in vielen Fällen, wenn auch nicht in allen. Wir versuchen diesen fast durchwegs hochbetagten Menschen etwas Lebensqualität zurückzugeben, die ihnen geraubt wurde und die manchen auch viele Jahre verwehrt geblieben ist.

Für uns ist es dann besonders berührend und auch motivierend, wenn, wie unlängst, eine Dame zu uns sagt, dass sie erst seit ihrer Betreuung in ESRA wieder durchatmen und leben kann.

Die Zeit heilt leider nicht alle Wunden.

Service

Psychosoziales Zentrum ESRA

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Peter Iljitsch Tschaikowsky/1840 - 1893
Album: SERENADEN AUS RUSSLAND
Titel: Elegie Nr.9 op.67a zu der Schauspielmusik nach Shakespeares Tragödie "Hamlet"
Orchester: RIAS SInfonietta
Leitung: Jiri Starek
Länge: 02:00 min
Label: Koch 316112

weiteren Inhalt einblenden