Diagonal - Radio für Zeitgenoss/innen

13. Dezember 2014, 17:05

Das brodelnde Tijuana beginnt unmittelbar hinter den meterhohen Mauern zwischen den USA und Mexiko. Drei Grenzstreifen aus Stahl und Beton schirmen die Erste von der Dritten Welt ab. Von allen mexikanischen Städten an der 3.500 Kilometer langen Grenze zu den USA hat Tijuana in den vergangenen 20 Jahren das größte demographische Wachstum erlebt. Jede/r Zweite ist zugezogen. Eine genaue Einwohner/innenzahl kann niemand nennen. Die Berechnungen variieren zwischen zwei und zweieinhalb Millionen. Der Grenzübergang zwischen San Diego und Tijuana ist der mit Abstand geschäftigste der Welt. Elf Millionen illegale "Latinos" leben bereits in den USA, doch unaufhörlich strömen Glücksuchende nicht nur aus Mexiko, sondern aus ganz Lateinamerika an die Grenze.

Im Westen Tijuanas, am Stadtstrand von Las Playas, ziehen sich die Grenzbarrikaden seit 9/11 bis hinaus in den Pazifik. Ein surrealer Ort, an dem sich sonntags durch die Grenze zerrissene Familien für wenige Minuten durch den Zaun unterhalten und berühren können. Für US-Amerikaner/innen ist es ein einfacher Übertritt nach Mexiko, ein Sprung in eine Welt von Partys und des guten Geschäftes, für Mexikaner/innen jedoch ist es ein mühseliger, oft illegaler und nicht selten tödlicher Trip in den Norden. Viele bleiben in Tijuana hängen. Die weniger als 100 Jahre alte Stadt, die wild in alle Richtungen auskragt, war seit der amerikanischen Prohibition ein Sündenpfuhl. Alkohol, käuflicher Sex, Glücksspiel und Drogen wurden zu den ungeliebten Markenzeichen Tijuanas, machten die Stadt aber vom Fischerdorf zur Metropole.

An der Avenída Revolución in Downtown reihen sich zwar auch heute noch Stripperlokale, Bars, Souvenirbuden und billige Medikamente-Shops aneinander, doch seit die blutigen Drogenkartell-Kriege des ersten Millennium-Jahrzehnts vorbei sind, erfindet sich Tijuana neu. Pioniergeist weht durch die Stadt. Künstler/innen und Kreative, Unternehmer/innen oder einfach nur normale Bürger/innen arbeiten an einer besseren Zukunft. Das umstrittene Freihandelsabkommen NAFTA aus den 1990er Jahren hat die Grenzstadt auch zur international begehrten Produktionsstätte für Konzerne aus der ganzen Welt gemacht. In der sogenannten "Maquiladora"-Industrie produzieren zurzeit 120 Firmen für den Weltmarkt: steuerbegünstigt, vor allem aber mit billigen mexikanischen Arbeitskräften. Tijuana ist ein lokales Versuchslabor, in dem sich globale Dynamiken und Abhängigkeiten entfalten.

Service

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Elisabeth Tuider, Hans Wienold, Torsten Bewernitz (Hrg.): "Dollares und Träume. Migration, Arbeit und Geschlecht in Mexiko im 21. Jahrhundert". Verlag Westfälisches Dampfboot. Zurzeit leider nicht lieferbar.

Stefan Falke: "La Frontera - Die mexikanisch-US-amerikanische Grenze und ihre Künstler". Verlag Edition Faust (Foto- und Essayband)

Marcos Ramírez Erre - Künstler
Kunstfestival
Center for Urban Ecologies
Los Angeles Azules
Umwelt NGO
Label Static Discos
Jaine Ruiz Otis - Künstler Wien/Tijuana
Informationen Drogenkartelle
Wochenzeitung ZETA

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