Zwischenruf

von Superintendent Paul Weiland (St. Pölten)

Auf einer stimmungsvollen Weihnachtsfeier hat sich beim anschließenden Empfang mein Gegenüber sehr über die Unfähigkeit der Menschen heute beklagt, so richtig in Weihnachtsstimmung zu kommen.

Natürlich fehle heuer in den meisten Gegenden - zumindest bisher - der Schnee. Aber meinem Gesprächspartner ist einfach alles viel zu weltlich, viel zu normal, viel zu wenig in einem positiven Sinn abgehoben. Weihnachten, das muss doch mehr sein. Einfach himmlischer.

Aber wir erleben: die Zahl der Kriegsflüchtlinge und Asylwerber nimmt zu. Obwohl in Österreich in den letzten Wochen zahlreiche neue Quartiere geschaffen werden konnten, ist es immer noch zu wenig. Österreichweit werden bald 30.000 Menschen in der Grundversorgung sein.

Politisch gibt es auch keinen Weihnachtsfrieden in Sachen Steuerreform. Vorschläge und Gegenvorschläge werden über die Medien ausgerichtet, die eigene Position wird glorifiziert, die der anderen heruntergemacht.

Und von der Besinnlichkeit ist bei den meisten Menschen in der Adventzeit auch nichts zu bemerken. Im Gegenteil, die Weihnachtsfeiern, die vermehrten Wohltätigkeitsveranstaltungen, die Besorgung der unvermeidlichen Weihnachtsgeschenke vermehren in einem beträchtlichen Ausmaß den Stress.

Auf so ein Weihnachten könne er verzichten, meinte resigniert mein Gesprächspartner. Ich denke, es geht vielen Menschen so wie ihm. Weihnachten hat im Herzen vieler ein bestimmtes Image bekommen, mit dem Fest gehen ganz besondere Vorstellungen von Gemeinschaft, Harmonie und Frieden einher. Das alles ist im Einzelnen auch gar nicht negativ. Aber in der Summe ist die Enttäuschung groß, wenn die Realität dann doch ganz anders ist.

Ich habe meinem Gesprächspartner als Antwort auf seine Fragen die biblische Geschichte von der Himmelsleiter aus dem Alten Testament erzählt. Und zwar deshalb, weil diese Geschichte symbolisch für einen ganz wichtigen Aspekt des Geschehens von Weihnachten steht.

Es geht um die Frage von Gott und Mensch, von Himmel und Erde. Und um die Frage, wie diese beiden Welten zusammenkommen. Nach der biblischen Erzählung hat Jakob, der auf der Flucht ist, einen Traum. In diesem Traum sieht er eine Leiter, die auf der Erde steht und in ihrer Spitze bis in den Himmel reicht. Engel steigen auf ihr auf und nieder. Ganz oben steht Gott und sagt Jakob zu, ihn auf seinem weiteren Weg zu begleiten und zu segnen.

Jakobs Himmelsleiter ist eine Gottesbegegnung der besonderen Art. Sie ist auch in zahlreichen Darstellungen ein Motiv in der Kunst geworden. Aber auch sonst hat dieses alte biblische Symbol der Gottesbegegnung im ersten Buch Mose in verschiedener Weise seine Wirkungsgeschichte in der christlichen Tradition entfaltet. So wurde die Himmelsleiter oft ein Bild für den geistlichen oder moralischen Aufstieg verstanden. Die Leiter wurde gleichsam zur Tugendleiter. Wer auf ihr hinaufsteigt, wird immer besser und besser, ja ganz oben sogar vollkommen.

So ähnlich ist wahrscheinlich auch das Bild vom Geschehen zu Weihnachten, das mein Gesprächspartner hat. Irgendwann muss man ja ankommen, ganz oben.

Der Reformator Martin Luther hat dieses Bild der Himmelsleiter auch in einer kleinen Geschichte verarbeitet. Er hat dabei das eigentliche Geschehen zu Weihnachten in der Geburt von Jesus Christus im Blick.

Luthers Geschichte von der Himmelsleiter geht so: "Es war einmal ein frommer Mann, der wollte schon in diesem Leben in den Himmel kommen. Darum bemühte er sich ständig in den guten Werken der Frömmigkeit und Selbstverleugnung. So stieg er auf der Stufenleiter der Vollkommenheit immer höher empor, bis er eines Tages mit seinem Kopf tatsächlich in den Himmel ragte.

Aber er war sehr enttäuscht: Der Himmel war dunkel, leer und kalt. Denn Gott war auf Erden in einer Krippe."

Das ist für mich Weihnachtsstimmung: Die Verbindung zu Gott nicht aus den Augen zu verlieren und dabei den Blick nicht abzuwenden von den Menschen und von der Realität der Welt.

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