Gedanken für den Tag

16. Dezember 2014, 06:56

In den Kindertagen waren die Großeltern ein Licht für uns - ich spreche von meinem Bruder und mir. Bei ihnen verbrachten wir die Sommer. Wir verließen den stürmischen und zuweilen beunruhigenden Ort unserer Eltern und zogen am ersten Ferientag in ein großes, altes Haus im Weinviertel. Dort, so wussten wir, würden wir die zwei Monate Ferienzeit verbringen und sie erschienen uns so endlos wie das Leben überhaupt.

Mein Bruder und ich gehen ganz verschiedene Wege durchs Leben. Was uns eint und für immer verbindet, ist die gemeinsame Erinnerung an die Güte unserer Großeltern, an das Licht dieser Kindersommer und die Sehnsucht danach, wie nach einem verlorenen Paradies. Ich möchte Ihnen ein Gedicht von Alfred Goubran zu diesem Thema vorlesen:

Am Forstsee

Es ist so still an diesem See.
Ich sitze wie ein Stein auf Steinen
Im dunklen Bernsteinlicht der Sonne
Und wundere mich
Und falle
In Gärten, die ich lange nicht betreten habe,
In Kindersommer
Barfuß in lehmig warme Erde
Durch hohe, dunkle Wälder.
Einmal führt der Weg zu schilfgesäumten Teichen,
ein andermal vorbei an jungem, wiesengrünen Mais
zu einem seichten Fluß,
in dem wir mit dem Handtuch wie mit Netzen
kleine katzengraue Fische fangen.
Die nackte Haut ist sommerwarm
Und alles ist Bewegung.

Service

CD, Alfred Goubran, "Die Glut", goubranREC. 2014

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