Zwischenruf

von Landessuperintendent Thomas Hennefeld (Wien)

In der evangelischen und katholischen Tradition ist der 28. Dezember der Tag der "unschuldigen Kinder". Dieser Gedenktag geht zurück auf eine biblische Geschichte. Nach der Überlieferung durch den Evangelisten Matthäus ließ Herodes, der damalige König Judäas, alle neugeborenen Kinder bis zum zweiten Lebensjahr töten, um sicherzugehen, dass der neugeborene König - Jesus von Nazareth - ihm seine Herrschaft nicht streitig machen könne.

Die Geschichte vom Kindermord in Bethlehem mag eine Legende sein. Die Realität schaut jedenfalls noch viel düsterer aus. Geschätzte 30.000 Kinder sterben jeden Tag an Unterernährung. Eine Nachricht ist das nicht wert, denn das passiert jeden Tag.

Schon eher erfahren wir von spektakulären Massakern, wie jenes von Taliban-Kämpfern, dem über 150 Menschen, größtenteils Schülerinnen und Schüler in der Stadt Peshawar in Pakistan zum Opfer fielen. Hierzulande wird Schule oft als notwendiges Übel oder lästige Pflicht gesehen, während in anderen Weltgegenden Kinder für Bildung ihr Leben riskieren. Weltweit hat wohl die Mehrheit der Kinder keine Chance auf ausreichende Bildung. Sie müssen unter unzumutbaren Bedingungen Arbeit leisten, in Fabriken, auf Plantagen, in Bergminen oder Steinbrüchen, als Kindersoldaten oder Arbeitssklaven.

Vor 25 Jahren wurde die UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet. Fast alle Staaten der Erde traten dieser Konvention bei. Die Liste der Grundrechte aus der Kinderrechtskonvention müsste Kindern ein friedvolles und glückliches Leben bescheren. Denn da ist festgeschrieben das Recht auf Gleichbehandlung und Entwicklung, auf ausreichende Ernährung und medizinische Versorgung, auf Ausbildung und Bildung, auf Freizeit und auf Frieden.

Und wiederum, wissen wir - die Realität sieht anders aus.

Aber Menschen in Europa und auch Menschen in unserem Land können etwas tun gegen die Missachtung der Grundrechte, gegen Ausbeutung von Kindern und gegen Kinderhandel.

Es braucht die Aufmerksamkeit und das Bewusstsein, dass Konsumgüter, die wir kaufen, auch durch Kinderarbeit produziert werden. Und es braucht die Vorbilder, die unerschrocken für die Rechte von Kindern eintreten wie die Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai oder der Friedensnobelpreisträger Kailash Satyarthi, der auch ein Projektpartner von "Brot für die Welt ist". Der einen Aktivistin wurde in den Kopf geschossen, weil sie sich für das Recht auf Bildung auch für Mädchen und Frauen einsetzte, der andere Menschenrechtsaktivist lebt auch nicht ungefährlich im Kampf gegen sklavenähnliche Arbeitsverhältnisse. Er hatte sich einen Namen gemacht durch seine hollywoodreifen Befreiungsaktionen von Kindern aus den Fängen skrupelloser Geschäftemacher und Unternehmer.

Ein wehrloses und hilfloses Kind machte dem mächtigen Herrscher Judäas solche Angst, dass er bereit war, viele andere unschuldige Kinder zu töten. Die wahre Mission des neugeborenen Königs blieb Herodes in seinem Macht- und Blutrausch verborgen.

Der Mensch gewordene Gott kam nämlich nicht, um zu herrschen sondern um zu dienen. Gefährlich konnte er den irdischen Königen aber schon werden. Denn Gott kam nicht, um den Mächtigen und Profitgierigen zu ihren Grausamkeiten seinen Segen zu geben, sondern um Menschen und auch schon Kinder zu befreien aus Abhängigkeit und Unterdrückung, Gewaltherrschaft und Bevormundung. Und so leben alle, die sich für Kinderrechte stark machen, denen es nicht gleichgültig ist, ob Kinder genug zu essen haben und Bildung, Freiheit und Glück der Kinder fördern in den Spuren des Kindes von Bethlehem und in Opposition zu Herodes. Wenn Kinder glücklich und frei leben können, wäre das auch eine Hoffnung für die nächsten Generationen, eine friedlichere und gerechtere Welt zu erleben, vielleicht schon eine Hoffnung für das kommende Jahr.

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