Logos - Theologie und Leben

"Abschied von Ochs und Esel!" - Die christlichen Kirchen entdecken ihre jüdischen Wurzeln. Gestaltung: Markus Veinfurter

Woher kommen Ochs und Esel an der Weihnachtskrippe? Die Antwort mag überraschen: aus dem Prophetenbuch Jesaja! Dort heißt es: "Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn; Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keine Einsicht." Der Prophet aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. verkündete seinem Volk, dem Volk Israel, Gottes Gericht, wenn es nicht umkehrte und gottgefällig lebte; im Falle der Umkehr aber eine endzeitliche Wende zu universaler Gerechtigkeit und Frieden. So die ursprüngliche Absicht. Die Aussage "Israel aber hat keine Erkenntnis" wurde allerdings im Laufe des Christentums judenfeindlich interpretiert und so sind Ochs und Esel strenggenommen bis heute eine folkloristische Reminiszenz an die judenfeindliche Geschichte des Christentums.

Ein grundsätzliches Umdenken hat unter den Christinnen und Christen erst nach der Shoah eingesetzt. Ein Meilenstein auf diesem Weg war die Erklärung "Nostra Aetate" des Zweiten Vatikanischen Konzils, deren 50. Jahrestag im neuen Jahr 2015 - am 28. Oktober - begangen wird. Mit dieser Erklärung über ihr Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen hat die römisch-katholische Kirche ihr Verhältnis zum Judentum neu definiert - wenn sie beispielsweise betont, dass die Juden (und Jüdinnen, wie nach 50 Jahren zu ergänzen ist) "nach dem Zeugnis der Apostel immer noch von Gott geliebt" sind, "sind doch seine Gnadengaben und seine Berufung unwiderruflich".

Seit dem Jahr 2000 begehen die christlichen Kirchen am 17. Jänner den "Tag des Judentums" - zur Rückbesinnung auf das gemeinsame Fundament als Auftakt zur Weltgebetswoche für die Einheit der Christen (und Christinnen). Die Initiative dazu ist von der Zweiten Europäischen Ökumenischen Versammlung in Graz 1997 ausgegangen.

Der Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit betont dazu: "Es geht am 17. Jänner nicht darum, eine Feier mit folkloristischen jüdischen Elementen zu gestalten, auch nicht um ein Kennenlernen des Judentums. Es ist eine Vereinnahmung, wenn Christinnen und Christen die Distanz der beiden Traditionen aus lauter Begeisterung nicht wahren und jüdische Riten und Symbole kopieren und nachahmen. (...) Es geht um ein fundamental neues Selbstverständnis der Kirchen, das sich aus seiner jüdischen Quelle nährt und sich in Weggemeinschaft mit den jüdischen Gemeinden heute versteht."

50 Jahre "Nostra Aetate" und 15 Jahre "Tag des Judentums": Ein doppelter Anlass also, um einen genaueren Blick auf Ursprünge und Fortschritte der Rückbesinnung der Kirchen auf ihre jüdischen Wurzeln zu werfen.

Sendereihe