Radiodoktor - Medizin und Gesundheit

Die ersten 1000 Tage - Was macht unsere Kinder körperlich und psychisch gesund?

Wie es um unsere Gesundheit bestellt ist, hängt ganz wesentlich davon ab, in welcher Umgebung wir unsere früheste Kindheit verbracht haben. Also welche Erfahrungen uns in den ersten zwei bis drei Jahren unseres Lebens, ab dem Zeitpunkt der Empfängnis gerechnet, geprägt haben. In dieser Phase gleicht der Mensch einem unbeschriebenen Blatt oder einem trockenen Schwamm. Alles, was ab dem ersten Schwangerschaftsmonat bis etwa zum vollendeten zweiten Lebensjahr auf das Kind einströmt, wird aufgesaugt und abgespeichert - oft für die Dauer des gesamten Lebens. Immer mehr Studien weisen zum Beispiel darauf hin, dass ein ungünstiges Ernährungsverhalten einer Schwangeren das Risiko massiv erhöht, dass ihr Kind später im Leben an Diabetes, Adipositas oder Bluthochdruck erkrankt.
Übrigens können sowohl Männer als auch Frauen durch ungesunde Ernährung die Gesundheit ihrer noch nicht mal gezeugten Kinder negativ beeinflussen. Denn es konnte nachgewiesen werden, dass fettreiche Ernährung von Männern die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der übernächsten Generation fördert.

Ob wir uns zu selbstsicheren, lebensfrohen Menschen entwickeln, hängt natürlich insbesondere davon ab, ob in der frühen Kindheit Bezugspersonen vorhanden waren, die unsere Bedürfnisse und Gefühle ernst nahmen und adäquat darauf reagierten. Viele seelische Krankheiten haben ihre Ursache in einer Vernachlässigung während dieser sensiblen Zeit - Suchterkrankungen etwa, Psychosen, aber auch alle Formen von Essstörungen. Gerade weil gute frühkindliche Bindungen so wichtig für die spätere Gesundheit sind, fordern Österreichs Kinderärzte, Psychologinnen etc. einen Ausbau der Kleinkinder-Betreuung. Denn in den Kinderkrippen würden derzeit auf eine Erziehungsperson rund neun Kleinkinder kommen - für eine ausreichend starke Bindung sei ein Verhältnis von 3:1 vonnöten.

Viele nehmen ihre Aufgabe als Eltern sehr ernst, sie tun alles für das Wohl ihres Kindes. Manchmal jedoch kann das auch zu viel des Guten sein - etwa, wenn noch Ungeborene mit chinesischen Spracherwerb-CD's traktiert werden - Kinder hören ja bereits ab dem letzten Drittel der Schwangerschaft - oder wenn zu Hause neben Deutsch auch Englisch und Französisch gesprochen wird, um die Sprösslinge fit fürs spätere Berufsleben zu machen. Natürlich stimmt es - ein Mensch lernt nie wieder so gut wie während seiner ersten beiden Lebensjahre; nichtsdestotrotz sind sich Experten einig: Zu viel Förderung kann schnell überfordern und beim Kind das Gefühl erzeugen, dass es nur dann geliebt wird, wenn es etwas leistet.

Manche Wissenschaftler, etwa Neurobiologen, sind der Meinung, dass alles, was wir in den ersten 1000 Tagen unseres Daseins lernen, bis zu unserem Tod unsere physische und psychische Gesundheit prägt. Spielraum gleich null. Viele andere Fachleute aber sind überzeugt, dass Veränderungen zum Positiven immer möglich sind, wenn auch schwieriger als am Anfang unseres Lebens.

Dieses Mal diskutiert Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos mit ihren Gästen über die ersten 1000 Lebenstage und wie diese idealerweise aussehen sollten, damit ein physisch und psychisch gesunder Mensch heranreifen kann.

Eine Sendung von Mag.a Nora Kirchschlager.
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Service

Dr.in Katharina Kruppa (Kinderärztin und Psychotherapeutin, Leiterin der Baby Care Ambulanz am Preyer'schen Kinderspital, Leiterin des Vereins Grow Together - Begleitung in schwierigen Lebenssituationen für Familien mit Säuglingen)
Dr.in Karin Lebersorger (Klinische- und Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin, Leiterin des Instituts für Erziehungshilfe Wien 21)

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Sigmund-Freud Vorlesungen 2006 - "Von Sigmund Freud zu den Super Nannys"
Kindheit - die frühen Jahre
Frühkindliche Hirnentwicklung - Möglichkeiten und Grenzen einer pädagogischen Interpretation aktueller Erkenntnisse aus der Hirnforschung

Katharina Kruppa, Astrid Holubowsky, "Babys wissen, was sie brauchen: ... und Eltern auch", Verlag Herder, 2004

Gertraud Diem-Wille, "Das Kleinkind und seine Eltern. Perspektiven psychoanalytischer Babybeobachtung", Verlag Kohlhammer, 2., überarbeitete Auflage, 2009

Gerald Hüther, Cornelia Nitsch, "Wie aus Kindern glückliche Erwachsene werden", Verlag Gräfe und Unzer; 3. Auflage 2013

Lieselotte Ahnert, "Wieviel Mutter braucht ein Kind?: Bindung, Bildung, Betreuung - öffentlich und privat", Spektrum Akademischer Verlag 2010

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