Zwischenruf

von Prof. Ulrich Körtner (Wien)

Verworrene Debatte

Gehört der Islam zu Österreich? Und das Christentum oder das Judentum? Und wie steht es mit dem Buddhismus? Fragen wie diese, die nach den Anschlägen von Paris einmal mehr diskutiert werden, lassen sich weder mit ja noch mit nein beantworten, weil überhaupt nicht klar ist, wonach eigentlich gefragt wird und was ein Ja oder Nein besagen soll.

Bleiben wir beim Islam. Ist gemeint, dass Muslime zu Österreich gehören? Das lässt sich ja wohl kaum bestreiten. Als staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft gehört der Islam seit mehr als 100 Jahren zu diesem Land, auch wenn umstritten ist, welche Muslime sich überhaupt durch die Islamische Glaubensgemeinschaft vertreten fühlen.

Aber was ist überhaupt mit der Wendung "gehört oder gehört nicht zu Österreich" gemeint? Was heißt "gehört zu", und was verstehen wir unter Österreich? Meinen wir das Land, seine Menschen, seine Kultur und Geschichte, die Gesellschaft oder den Staat? Oder alles zusammen? Wird danach gefragt, ob die islamische Religion zu Österreich und seiner Kultur gehört wie Mozart, das Burgtheater und Trachtengruppen? Oder dass verschleierte Frauen und Moscheen mancherorts zum Stadtbild gehören wie der Stephansdom?

Öffentliche Theologie

Viel spannender ist die Frage, welche Rolle der Islam in seinen unterschiedlichen Spielarten in der politischen Kultur unseres Landes zu spielen gedenkt und ob er zu den aktiven Kräften der österreichischen Zivilgesellschaft zählt.

Letzteres halten manche für eine bedrohliche Vision. Die Angst vor einer schleichenden Islamisierung macht die Runde. Gleichzeitig hält es die Mehrheit in unserem Lande für selbstverständlich, dass das Christentum in unserem Land eine prägende Kraft ist und bleiben soll, auch wenn wir heute in einem säkularen, weltanschaulich neutralen Rechtsstaat leben. Und regelmäßig melden sich die Kirchen und ihre Organisationen wie Diakonie und Caritas zu gesellschaftlichen und politischen Fragen zu Wort.

Man nennt das heute öffentliche Theologie. Darunter versteht man "die kritische Reflexion über das Wirken und die Wirkungen des Christentums in die gesellschaftliche Öffentlichkeit hinein sowie die dialogische Teilnahme am Nachdenken über die Identität und die Krisen, die Ziele und die Aufgaben der Gesellschaft", wie der evangelische Theologe Wolfgang Huber schreibt. Soeben hat die Diakonie Österreich ein Institut für öffentliche Theologie und Ethik der Diakonie gegründet, das sich gleich mit einem Argumentarium zur aktuellen Sterbehilfedebatte zu Wort gemeldet hat.

Islamische Theologie im öffentlichen Raum

Vergleichbares fehlt auf islamischer Seite. Liest man die Stellungnahmen der Islamischen Glaubensgemeinschaft auf ihrer Website, so hat man den Eindruck, dass sie im Wesentlichen nur mit sich selbst und dem Bild des Islam in der Öffentlichkeit beschäftigt ist. An den gesellschaftlichen Debatten etwa im Bereich der Medizinethik und der Biopolitik ist die Islamische Glaubensgemeinschaft bisher nicht beteiligt. Kein Wunder, wenn doch ein Großteil der hierzulande tätigen Imame die Integration in die Mehrheitsgesellschaft ablehnt, wie eine aktuelle Studie der Universität Wien zeigt.

Es wäre höchst wünschenswert, wenn in Österreich neben der christlichen Theologien auch eine islamische Form von öffentlicher Theologie entstünde, eingebettet in die akademische Öffentlichkeit und zugleich verankert in der islamischen Community. Das hat mit Islamisierung nichts zu tun, sondern damit, dass sich in einer pluralistischen Gesellschaft die verschiedenen Religionsgemeinschaften am politischen Diskurs beteiligen sollten, weil auch ein säkularer Staat auf das Engagement aller seiner Bürger und Bürgerinnen angewiesen ist.

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