Gedanken für den Tag

von Guido Tartarotti, Theaterkritiker, Kolumnist bei der Tageszeitung "Kurier" und Kabarettist. "Vom Inferno Richtung Eden" - Zum 750. Geburtstag von Dante Alighieri. Gestaltung: Alexandra Mantler

Die Hölle. Der Ort der größtmöglichen Entfremdung. Für mich könnte sie aussehen wie ein Baumarkt - nirgendwo sonst fühle ich mich so einsam wie in diesem Tempel der heiligen Riten des Do-it-yourself. Ich, der bereits mit dem Öffnen eines Milchpackerls technisch überfordert ist.

Unsere Vorstellung von Hölle ist von der Bildhaftigkeit geprägt, die Dante Alighieri seiner "Göttlichen Komödie" zugrunde legte, eine Bildhaftigkeit, die seiner Zeit, dem späten Mittelalter, und ihrer mündlichen Erzählstruktur entsprach. Hier geht es zu wie in einem modernen Computerspiel: es wird sehr anschaulich gefoltert und gequält und gelitten. Bis heute sind unsere Jenseitsvorstellungen sehr plastisch. Im Himmel sieht es aus wie bei einem großen Picknick der katholischen Jugend, nur mit besserem Wetter, in der Hölle wie nach einem Unfall in einem Chemiewerk.

Erst in jüngster Zeit kommen auch aus kirchlichen Kreisen andere Vorstellungen auf: Eine völlig leere Hölle etwa, weil Gott niemanden verloren geben wird. Oder die Hölle als Ort der selbst gewählten, größtmöglichen Entfernung von Gott, wo zwar niemand mit dem Dreizack gepiekst und in Olivenöl herausgebacken wird, aber auch sonst nicht viel Interessantes passiert. Hölle light, sozusagen, eine grauenhafte Vorstellung für Vertreter der alten Droh-und-Angst-Theologie. Wer soll noch einen Gott fürchten, dessen Verdammnis nicht schlimmer aussieht als ein besonders fader Ferienclub mit wirklich schlechtem Essen?
Wie kamen die Menschen überhaupt auf die Idee einer Hölle? Ich stell mir das so vor:

Irgendwann einmal, vermutlich in der Wüste, wo man die Sterne gut sehen kann, starrten die Menschen in den leeren Himmel. Und um vor Angst nicht verrückt zu werden, erkannten sie Gott. Oder erfanden ihn, je nach heutiger Sichtweise. Und die Leere, die es ohne Gott gäbe, die nannten sie: Hölle.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: anonym
Bearbeiter/Bearbeiterin: Cliff Haywood
Gesamttitel: CLIFF HAYWOOD with the LACHRYMAE CONSORT
Titel: Jenkins, Owt Of Your Slepe
Ausführende: Lachrymae Consort
Länge: 02:00 min
Label: Cavendish CAV CD 94

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