Im Gespräch

In memoriam Gerd Bacher.
Michael Kerbler spricht mit Gerd Bacher, Publizist und ehemaliger ORF-Generalintendant (Wiederholung vom 10.11.2005)

Kaum jemand hat die Medienlandschaft Österreichs in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts so stark geprägt wie Gerd Bacher. Bacher pflegt sein Geburtsjahr 1925 folgendermaßen zu charakterisieren: "1925 war das Jahr eins nach Gründung des österreichischen Radios." Bacher über Bacher: "Mit 17 Jahren drei Jahre bei der deutschen Wehrmacht, nach dem Krieg Matura. Wandlung vom Großdeutschen zum glühenden Österreicher".

In Salzburg geboren, begann er seine Laufbahn bei der "Salzburger Volkszeitung". Die ersten Karrierestationen führten über die "Salzburger Nachrichten", den "Bild-Telegraf", den von ihm mitbegründeten "Express" und den Moldenverlag. Die Funktion des ORF-Generalintendanten trat Gerd Bacher im März 1967 an. Das erste Volksbegehren mit 833.000 Pro-Unterschriften, das Rundfunk-Volksbegehren, hatte ihm den Weg dorthin geebnet. 20 Jahre lang - mit Unterbrechungen - stand Bacher an der Spitze des Österreichischen Rundfunks.

Wichtige ORF-Wegmarkierungen Bachers: Eine grundlegende Programmreform mit drei Radio- und zwei TV-Programmen, die wirtschaftliche Neuorganisation, eine verstärkte Förderung von Bildung und Kultur im ORF und die "Informationsexplosion". Die Landesstudios wurden selbstständig. Roland Rainer baute das neue ORF-Zentrum am Wiener Küniglberg, Gustav Peichl die neuen Landesstudios. Übrigens: Politisch ließ sich Gerd Bacher, dessen Auseinandersetzungen mit Kanzler Bruno Kreisky Legendencharakter angenommen haben, nicht einordnen. Er selbst bezeichnete sich einmal als "heimatlosen Rechten".

Anlässlich der Verleihung des Rene-Marcic-Preis 1995 meinte der damalige Salzburger Landeshauptmann Hans Katschthaler (ÖVP): "Den ORF zu führen, hieß für Bacher, Journalist, Kulturmanager und Unternehmer zu sein. Eine Mischung, die ihm wenige andere Positionen gewährten." Deshalb habe der ORF für Bacher "Rauschgiftcharakter". Seit Oktober 1994 befinde Gerd Bacher sich gleichsam auf "Entziehungskur".

Michael Kerbler traf Gerd Bacher kurz vor dessen 80. Geburtstag, um über "meine Lebensliebe" - Bacher über den ORF -, über das Verhältnis von Politik zu Medien (und umgekehrt) und über die Bedeutung identitätsstiftender Medien für Österreich in einem größer werdenden Europa zu sprechen.

Service

Gerd Bacher, "Medienentwicklung in die Zukunft. Die Rolle Österreichs", Vortrag von ORF-Generalintendant Gerd Bacher, Verlag Rainer Pinkau, Göttingen, 1984

"Die Mediendemokratie - Politik und Kultur in einer grenzenlosen Öffentlichkeit", Haus der Patriotischen Gesellschaft am 21. Juni 1988 Hamburg, Übersee-Club, Hamburg, 1988

Michael Schmolke (Hrsg.), "Der Generalintendant. Gerd Bachers Reden, Vorträge, Stellungnahmen aus den Jahren 1967 bis 1994", Böhlau Verlag, Wien, 2000

Universität Salzburg, ORF Landesstudio Salzburg (Hrsg.), "Zeitzeugen. Wege zur Zweiten Republik", Verlag Kremayr & Scheriau, Wien, 1987

Clemens Hüffel, Anton Reiter (Hrsg.), "Medienpioniere erzählen ... 50 Jahre österreichische Mediengeschichte - von den alten zu den neuen Medien", Braumüller Verlag, Wien, 2004

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