Gedanken für den Tag

von Ursula Baatz, Journalistin. "Herz, das in alle zehn Richtungen geht" - Zum 25. Todestag von Hugo Enomiya-Lassalle. Gestaltung: Alexandra Mantler

Um acht Uhr fünfzehn am Morgen des 6. August 1945 klinkte die Besatzung des US-Flugzeugs die Bombe aus. Sekunden später war Hiroshima dem Erdboden gleichgemacht. Das Pfarrhaus stürzte zusammen über Hugo Lassalle, der seit 1929 in Japan lebte. Er dachte, nun würde er gleich wissen, wie es im Himmel ist, aber dann merkte er, dass es noch nicht zu Ende war, erzählte er in einem Filminterview vierzig Jahre später.

1980 hatte der Jesuit von Yamada Koun, seinem Zen-Meister, die Erlaubnis erhalten, Zen zu lehren. Yamada Koun Roshi hatte den Krieg als Soldat in der Mandschurei erlebt. Nie wieder Krieg, das wünschten beide, der Jesuit und der Zen-Meister. In der Zen-Übung sahen beide eine Chance, den Frieden zu unterstützen. Daher befürwortete der Buddhist und Zenmeister Yamada Roshi, dass Hugo Lassalle, ein Christ und Jesuit, Zen lehrte. Denn Zen, richtig geübt, führt zu einer Verringerung des Egoismus, egal ob es Buddhisten oder Christen, Frauen oder Männer üben. Die Zen-Erfahrung bot einen Ausweg aus den dualistischen Fronten des Kalten Krieges. Für mich und die anderen jungen Leute damals war das eine wichtige Sache: Dass Zen einen Weg zeigen kann, damit die Feindschaft endet. Hugo Lassalle sprach oft vom Neuen Bewusstsein, einer neuen Weise, die Welt zu sehen, und zwar nicht egoistisch, nicht dualistisch, sondern aperspektivisch und arational. Zen als Weg öffnet für die einzelnen die Türe zu dieser Erfahrung. Für die Gesellschaft allerdings prognostizierte er eine schwierige und gefährliche Zeit des Wandels. Umwelt- und Klimakrise wurden damals, 1981, bereits deutlich. Lassalle schrieb:

"Es geschieht einfach. Auch die Religionen müssen das respektieren. Es geht heute nicht mehr um neue Lehren, sondern um neue Ausdrucksweisen derselben Wirklichkeit, entsprechend dem veränderten Bewusstsein. Wenn eine Religion das nicht vermag, kann sie nicht überleben. In der kommenden Welt wird Krieg als Lösung politischer Konflikte ausscheiden. Heute scheitert alles Bemühen, die Kriege zu vermeiden, am einseitigen Dualismus."

Wie es mit der Welt weitergeht, interessierte den Jesuitenpater und Zen-Lehrer Hugo Lassalle bis zum Tod am 7.Juli 1992. Auch am Sterbebett sah er zuversichtlich in die Zukunft.

Service

Ursula Baatz

Buch, Hugo M. Enomiya-Lassalle, "Kraft aus dem Schweigen. Einübung in die Zen-Meditation", Patmos Verlag
Buch, Hugo M. Enomiya-Lassalle, "Zen-Unterweisung", Kösel Verlag
Buch, Hugo M. Enomiya-Lassalle, "Mein Weg zum Zen", Kösel Verlag
Buch, Ursula Baatz, "Hugo M. Enomiya-Lassalle, Jesuit und Zen-Meister", Herder Verlag

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Mychael Danna/geb.1958
Vorlage: Yann Martel /Romanvorlage/geb.1963
Gesamttitel: LIFE OF PI: SCHIFFBRUCH MIT TIGER / Original Filmmusik
Titel: Tsimtsum
Orchester: Filmorchester
Leitung: Mike Nowak
Chor: Cardinal Vaughan Memorial School
Chor: Chor
Länge: 02:00 min
Label: Sony Classical/Sony Music 8872

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