Gedanken für den Tag
von Ursula Baatz, Journalistin. "Herz, das in alle zehn Richtungen geht" - Zum 25. Todestag von Hugo Enomiya-Lassalle. Gestaltung: Alexandra Mantler
10. Juli 2015, 06:56
In sein Tagebuch notierte der Jesuit und Zen-Lehrer Hugo Enomiya-Lassalle im Jahr 1982:
"Die vielen Götter mussten sterben, und schließlich starb auch der eine Gott. An dessen Stelle traten die Begriffe, die in sich nichts sind. Nun auf einmal entdeckt der Mensch, dass die Begriffe ihn nicht mehr befriedigen können oder das begriffliche Denken allein nicht zur Ruhe kommen lässt und nun sucht er die wahre Wirklichkeit, die hinter den Begriffen ist."
Lassalle war ein wacher Beobachter des Religionswandels, der sich seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs anbahnte. Er hat dies in seiner Wahlheimat Japan beobachtet, und bereits 1946, auf einer Reise durch das vom Krieg zerstörte Deutschland, vermerkte er in seinem Tagebuch, dass die Leute den gewohnten rationalen Gottesbeweisen nicht mehr glaubten. Er selbst hatte als junger Novize eine tiefe mystische Erfahrung gemacht, die sein ganzes Leben geprägt hat, und er kannte die mystische Tradition des Christentums sehr gut. Als sich Hugo Lassalle als fast Sechzigjähriger - wenn andere an die Pension denken - auf den Zen-Weg einließ, da entdeckte er rasch die Gemeinsamkeiten zwischen Zen und christlicher Mystik. In beiden Traditionen geht es darum, über die Begrenzungen des rationalen Denkens hinauszukommen, in ein tieferes Wahrnehmen und Denken. Christen sprechen von Gotteserfahrung, Zen-Buddhisten von der Erfahrung der Leere.
Mystik war seit dem 18. Jahrhundert aus einer ganzen Reihe von Gründen eher verpönt, und nicht nur in der katholischen Kirche. Als Jesuit und Zen-Lehrer trug Hugo Enomiya-Lassalle wesentlich zur Wiederentdeckung der christlichen Mystik bei. Zur Eröffnung des Meditationshauses St. Franziskus in Dietfurt im Altmühltal 1979 sagte Lassalle:
"Zen ist ein Weg zur Gotteserfahrung. Die Buddhisten suchen, was man überhaupt nicht mit Namen bezeichnen kann, das Absolute, das Unendliche, Unbegreifliche, Allumfassende. Wir können Gott nicht einschränken. Gott ist nicht dies und das, er ist alles."
Service
Ursula Baatz
Buch, Hugo M. Enomiya-Lassalle, "Kraft aus dem Schweigen. Einübung in die Zen-Meditation", Patmos Verlag
Buch, Hugo M. Enomiya-Lassalle, "Zen-Unterweisung", Kösel Verlag
Buch, Hugo M. Enomiya-Lassalle, "Mein Weg zum Zen", Kösel Verlag
Buch, Ursula Baatz, "Hugo M. Enomiya-Lassalle, Jesuit und Zen-Meister", Herder Verlag
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Sendereihe
Playlist
Komponist/Komponistin: Mychael Danna/geb.1958
Vorlage: Yann Martel /Romanvorlage/geb.1963
Gesamttitel: LIFE OF PI: SCHIFFBRUCH MIT TIGER / Original Filmmusik
Titel: Thank you Vishnu for introducing me to Christ (enthält "Raga Ahir Bhairav")
Orchester: Filmorchester
Leitung: Mike Nowak
Solist/Solistin: Pandit Jasraj /Gesang
Chor: Chor
Länge: 02:00 min
Label: Sony Classical/Sony Music 8872