Logos - Theologie und Leben
"Spiritualität im säkularen Zeitalter" - Johannes Kaup im Gespräch mit dem Benediktiner David Steindl-Rast
18. Juli 2015, 19:05
Wir leben in einem "säkularen Zeitalter" (Charles Taylor). Die Moderne konnte die Deutungen der Religion in Frage stellen, aber sie konnte die existenziellen Fragen und Nöte nicht lösen, die die Frage nach Gott überhaupt hervorgebracht haben. Der britische Philosoph und Mathematiker Alfred North Whitehead hat dies auf die Formel gebracht: "Die Moderne hat Gott verloren und sucht ihn". Ob dies allerdings der Gott ist, den die traditionellen Religionen bekennen, das ist eine offene Frage. Denn es könnte sein, dass eine erfahrungsferne und theoretisch schwache Religion den Atheismus erst erzeugt, den sie selbst beklagt. Jedenfalls, so zumindest ein Befund, krankt das Christentum dieser Tage sowohl an einem Mangel an intellektueller Schärfe als auch an einem Mangel an spiritueller Erfahrung. Infolgedessen verdunstet der klassische Bekenntnisglaube immer mehr, anstatt wie im Christentum postuliert "Salz der Erde" und "Licht der Welt" mitten in der Gesellschaft zu sein. Auf diesem Hintergrund ist jedenfalls das Interesse an Spiritualität in der Gesellschaft neu erwacht, auch wenn sehr Unterschiedliches darunter verstanden wird.
Der Benediktiner David Steindl-Rast wird von vielen als einer jener glaubwürdigen spirituellen Lehrer gesehen, die über die Grenzen von Weltanschauung und Konfession hinweg Gehör finden. Steindl-Rast versteht es, die alten Glaubensformeln in ihrem Sinn zu entschlüsseln. Er verweist auf das Gemeinsame unterschiedlicher Religionen und Kulturen. Er vermittelt eine weltzugewandte Mystik, die sich auch in politischer Aktion äußert. Sein Anliegen ist es, eine spirituelle Kultur der Dankbarkeit für das Leben zu entwickeln. In Zuneigung und Solidarität mit den Ausgegrenzten dieser Erde möchte er zu einem spirituellen Wandel beitragen hin zu einer globalen Verbundenheit, die, wie es scheint, die Welt heute dringend brauchen kann.
Johannes Kaup hat mit dem Kontemplationslehrer David Steindl-Rast in der überfüllten Wiener Konzilsgedächtniskirche einen Dialog über eine zeitgemäße Spiritualität geführt.
