Praxis - Spezial
Südsudan: Ein traumatisiertes Land. Gestaltung: Alexandra Mantler
22. Juli 2015, 16:00
Als der Südsudan vor vier Jahren seine Unabhängigkeit vom Norden des Sudan erkämpft hatte, waren die Erwartungen der Bevölkerung hoch gesteckt: Nun würde alles besser werden, endlich Frieden einkehren und das Land im Osten Afrikas aufblühen. Doch im Dezember 2013 eskalierte der Machtkampf zwischen dem amtierenden Präsidenten Salvar Kiir und seinem früheren Stellvertreter Rieck Machar und seitdem versinkt der jüngste Staat der Welt in Chaos und Bürgerkrieg, vor allem zwischen den Volksgruppen der Dinka und der Nuer.
"Die meisten der Kinder, die wir hier unterrichten, sind traumatisiert", erzählt die Lehrerin Susan Murikumani. "Einer der Buben hat uns erzählt, dass er zusehen musste, wie sein Vater zu Tode geprügelt wurde." Keine kleine Herausforderung für Lehrer und Lehrerinnen, die oft keine spezielle pädagogische und psychologische Ausbildung erhalten haben, denn es gibt nur ganz wenige Lehrerbildungsstätten im Land. Eine davon ist in Yambio in der Region Western Equatoria, direkt an der Grenze zur Republik Kongo.
Ordensschwestern bilden hier, unterstützt von der Österreichischen Caritas und der Organisation "Solidarity with South Sudan", einem Konsortium aus über 200 religiösen Ordensgemeinschaften, künftige Volksschullehrer und -lehrerinnen aus. Denn im Südsudan herrscht akuter Lehrermangel, wie Sister Margret erklärt: "Die Regierung macht Druck, dass alle Kinder in die Schule gehen sollen. Aber es gibt viel zu wenig Schulen und viel zu wenig Lehrer.". Oft seien bis zu einhundert 5- bis 6-jährige Kinder in einer Klasse, die oft keinen Tisch und keinen Sessel haben, keine Arbeitsbücher, keine Stifte.
Als Lehrer verdient man im Südsudan rund 30 Dollar pro Monat, während Polizisten 70 Dollar bekommen. Zum Vergleich: Eine einzelne Zwiebel kostet in der Trockenzeit hier 75 Cent. Mit einem Lehrergehalt kommt man also nicht weit. Darum wünschen sich die Schwestern hier auch eine Gehaltserhöhung für Lehrer und eine Anerkennung für die Bedeutung ihrer Arbeit. "Aber die Regierung sagt, sie haben kein Geld dafür. Sie haben aber Geld für Waffen", fügt Sister Margret trocken hinzu.
Um hier Lehrerin zu werden, muss man eine echte Idealistin sein wie die 28-jährige Kucha Gisma Ataip aus den Nuba-Bergen, die hier ihre zweijährige Ausbildung macht. In ihrer Heimat im Grenzgebiet zwischen dem Südsudan und dem Sudan tobt seit 2011 ein Kampf zwischen den Aufständischen des Nuba-Volkes und der sudanesischen Regierung. Sie hat Angst um ihre Familie, die sie seit eineinhalb Jahren nicht gesehen hat. Dass sie selbst eine Schule besuchen konnte, war hart erkämpft, denn für ihre Eltern war es nicht leicht, das Schulgeld aufzubringen. "Manchmal, wenn ich nicht bezahlen konnte, wurde ich einfach wieder nach Hause geschickt", meint die junge Frau. Und der Schulweg war weit: "Um 5 Uhr früh bin ich losgegangen, damit ich um 8 Uhr in der Schule bin. Und es war gefährlich: Die Buben wurden manchmal entführt, um zu Soldaten ausgebildet zu werden. Und als Mädchen warst du immer in Gefahr, dass sie dich vergewaltigen und dich einfach liegen lassen. Mir selber ist das nicht passiert, aber ich habe es gesehen", erzählt Kucha Gisma Ataip.
Dennoch kann sie es kaum erwarten, endlich wieder nach Hause zu gehen, um in den Nuba-Bergen als Lehrerin zu arbeiten. Auch wenn sie hier nicht einmal ein schlechtes, sondern gar kein Gehalt für ihre Arbeit bekommt. "Mir geht es nicht ums Gehalt. Mir geht es darum, dass ich meinen Brüdern und Schwestern, den Kindern meines Volkes, helfen kann", erklärt die Studentin. "Ginge es mir ums Geld, würde ich nicht Lehrerin werden, mir geht es nur darum, mein Wissen an die Jüngeren weiterzugeben."
Der Südsudan steht dieses Jahr auch im Zentrum der Caritas-Spendenkampagne "Für eine Zukunft ohne Hunger".
Ein Bericht von Alexandra Mantler - sie war, auf Teileinladung der Caritas, im Südsudan.