Gedanken für den Tag

von Andrea Riemer, Autorin und Beraterin für Fragen zu Selbstführung und Führung. "Geführt von Musik". Gestaltung: Alexandra Mantler

Führung und Macht ist ein seltsames Duo, insbesondere wenn man sich einen Dirigenten anschaut, ihn vorne stehen sieht, mit dem Rücken zum Publikum, vor dem Orchester, da werden Dirigenten oft gefragt, ob das eine machtvolle Position ist. Dirigenten im modernen Verständnis sind Musiker, die Klang organisieren, die zuerst widerstrebende Klangbilder und Vorstellungen zur Musik in einen stimmigen Einklang bringen, sie balancieren, sie setzen da Akzente, die dann hörbar sind, wenn der Komponist es fordert, ohne dass er das Ensemble dabei überfordert und sie korrigieren, bevor das Ensemble in den Schmiss kommt.

Beim Führen ist das sehr, sehr ähnlich. Es gibt jedoch einen bemerkenswerten Unterschied zwischen der Musik und Führung in der Politik, in der Wirtschaft, im Sport, in der Wissenschaft: In der Musik ist es ganz einfach, es spielen immer alle das gleiche Stück. Es käme also keiner auf die Idee, wenn heute Beethovens Fünfte angesagt ist, die Noten von der Siebenten aufzulegen. In den anderen angesprochenen Bereichen ist es so, dass natürlich immer wieder der eine oder andere kommt und seine eigenen Noten auflegt. Und dann geht es bei der Führungskraft darum, diese einzelne Person zu überzeugen, dass a) Es nicht gefragt ist, die eigenen Noten aufzulegen und dass b) Wenn er schon die eigenen Noten auflegt, sie zumindest in den großen Kanon einpasst.

Es ist also eine Frage von Macht und Elias Canetti schreibt in seinem ganz bekannten Werk "Masse und Macht" (Fischer Taschenbuch): "Es gibt keinen anschaulicheren Ausdruck der Macht als die Tätigkeit des Dirigenten. Jede Einzelheit seines öffentlichen Verhaltens ist bezeichnend, was immer er tut, wirft Licht auf die Natur der Macht. Wer nichts über sie wüsste, könnte ihre Eigenschaften eine nach der anderen aus einer aufmerksamen Betrachtung des Dirigenten ableiten. Dass das nie geschehen ist, hat einen einleuchtenden Grund: Die Musik, die der Dirigent hervorruft, schien den Menschen die Hauptsache und es galt als ausgemacht, dass man in Konzerte geht, um Symphonien zu hören. Der Dirigent ist selbst am meisten davon überzeugt. Sein Treiben, glaubt er, ist Dienst an der Musik und soll diese genau vermitteln und sonst nichts."

Service

Buch, Elias Canetti, "Masse und Macht", Fischer Taschenbuch

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Georg Friedrich Händel/1685 - 1759
Album: WASSERMUSIK, HWV 348 - 350, Orchesterkonzert Nr.25 , Suiten Nr.1 - 3
* 18. (Country Dance I/II) (HWV 350 Nr.21) - 9.Satz (00:01:29)
Titel: Suite Nr.2 & 3 in D-Dur / G-Dur aus HWV 349 & 350
Orchester: The English Concert
Leitung: Trevor Pinnock
Länge: 02:00 min
Label: DG 4105252

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