Radiokolleg - Die autonome Frauenbewegung

Solidarität, Sexualität und Subjektivität (1). Gestaltung: Christa Nebenführ

Anlässlich der "Muttertagsdemo" am 07.05.1971 in Wien Mariahilf gegen das Abtreibungsverbot berichtete der ORF im Mittagsjournal: "Die Stimmung unter den Demonstranten ist heiter, man vermisst eigentlich das kämpferische Moment, das sonst bei Demonstrationen üblich ist". Die Neue Frauenbewegung hatte sich auch in Wien eingeschlichen. 1972 fand das erste Plenum der Aktion Unabhängiger Frauen statt. Es ging nicht mehr darum, als Wählerin, Studentin oder Berufstätige an institutionalisierter Macht teilzuhaben. Diesbezüglich hatten die angelsächsischen Suffragetten zu Beginn des Jahrhunderts einiges erreicht. Es ging um Herrschaftskritik, Autonomie und Solidarität. Die feministische Wissenschafterin Lisbeth Trallori formuliert: Feminismus als Absage an Herrschaft.

Von den frühen 70er bis in die späten 80er Jahre organisierten sich die unterschiedlichsten Arbeitskreise und Diskussionsrunden. Mehrere Zeitschriften, das Frauenzentrum, das Frauencafé, die Sonderbar, die Frauenbuchhandlung, der Frauenverlag und das Theater in der Drachengasse als "Spielraum für kulturelle Aktivitäten von Frauen" wurden gegründet. Nach einem Selbsterfahrungswochenende diskutierten AUF-Frauen am 19.3.1975 drei Stunden über den "Mythos des vaginalen Orgasmus". Es war völlig neu, offen miteinander über Sexualität zu sprechen. Es war neu, sich gegenseitig bei der Kinderbetreuung zu unterstützen und nicht nur auf Oma oder Babysitter/in zurückzugreifen. Und es war neu, dass Frauen über Politik stritten und nicht um einen Mann.

Vor 40 Jahren hat die UNO das Jahr der Frau ausgerufen. Damals, 1975, waren an den österreichischen Universitäten sechsmal so viele Frauen immatrikuliert wie 1955. Damit war zum ersten Mal ungefähr die Hälfte der österreichischen Studierenden weiblich und ein böser Witz machte die Runde: "Wer bis zum vierten Semester noch keinen Doktor hat, muss ihn selber machen".

Aber einigen Frauen genügte weder der Doktorgatte noch der Doktortitel: Sie wollten sich selbst und ihre Lebenszusammenhänge besser begreifen und artikulieren können. Wer waren diese Frauen, die dem Familienbild der Elterngeneration eine Absage erteilten und Wohngemeinschaften gründeten oder Mann und Kinder verließen, um mit Ende dreißig noch ein Studium zu beginnen? Wie leben sie heute? Woran erinnern sie sich? Wie haben ihre Söhne oder Töchter den Selbstfindungsprozess ihrer Mütter in Erinnerung? Christa Nebenführ hat sich auf die Spurensuche nach den Anfängen der Neuen Frauenbewegung, nach ihrem Selbstverständnis, ihren Erfolgen und Misserfolgen begeben und sich von vielen lustvollen Aktionen und wütenden Protesten erzählen lassen.

Service

ZwanzigtausendFrauen

Käthe Kratz/Lisbeth N. Trallori (Hg.): Liebe, Macht und Abenteuer. Zur Geschichte der neuen Frauenbewegung in Wien. Promedia 2013. (dzt. vergriffen)

B.Geiger/H.Hacker: Donauwalzer Damenwahl. Frauenbewegte Zusammenhänge in Österreich. Promedia Verlag Wien 1989

Carmen Unterholzer, Ilse Wieser, Ilse Wieser, Brigitte Dorfer, Michaela Gigerl: Über den Dächern von Graz ist Liesl wahrhaftig: Eine Stadtgeschichte der Grazer Frauen Taschenbuch - 1996

Autorinnenkollektiv: Autonomie in Bewegung. 6. Österreichische Frauensommeruniversität. Texte, Reflexionen, Sub-Versionen, Promedia Verlag Wien 1991

Autorinnenkollektiv: Differenzen und Vermittlung. Feminismus. Bildung. Politik Edition Frauenhetz Wien

Herrad Schenk: die feministische Herausforderung. 150 Jahre Frauenbewegung in Deutschland. Verlag C. H. Beck München 1990

Luce Irigaray: Speculum, Spiegel des anderen Geschlechts. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1980.

Betty Friedan: Der Weiblichkeitswahn. Ein vehementer Protest gegen das Wunschbild von der Frau. Rowohlt, Reinbek 1966; Neuausgabe ebd. 1975,

Barbara Sichtermann: Weiblichkeit. Zur Politik des Privaten. Wagenbach, Berlin 1983

Svende Merian: Der Tod des Märchenprinzen. Buntbuch Verlag, Hamburg 1980

Ruth Aspöck: Der ganze Zauber nennt sich Wissenschaft. Zur sprachlichen Diskriminierung von Frauen Wiener Frauenverlag 1982

Hilde Langthaler: Nur keine Tochter ... Wiener Frauenverlag 1992

Eva Geber (Hrsg.): "Der Typus der kämpfenden Frau". Frauen schreiben über Frauen in der Arbeiter-Zeitung von 1900-1933. mandelbaum verlag, Wien 2013

Elfriede Haslehner Nebenwidersprüche, Lyrik und Liedtexte. Frischfleisch & Löwenmaul, Wien 1980

Margret Kreidl: Einfache Erklärung. Alphabet der Träume, Edition Korrespondenzen, Wien 2014

Birge Krondorfer (Hg.): Gender im Mainstream? Kritische Perspektiven. Ein Lesebuch
Wien 2007

Birge Krondorfer (Hg.): Widerstand - quo vadis? Was bedeutet Widerstand heute noch?
Wien: AUFedition 2005

Birge Krondorfer (Hg. mit Carina Mostböck): Frauen und Ökonomie. Oder: Geld essen Kritik auf. Promedia, Wien 2000

Hilde Langthaler: Nur keine Tochter ... Wiener Frauenverlag 1992

Hilde Schmölzer: Schmölzer, Hilde - Die abgeschaffte Mutter. Der männliche Gebärneid und seine Folgen Promedia, Wien 2005

Hilde Schmölzer: Die Frau : das gekaufte Geschlecht ; Ehe, Liebe und Prostitution im Patriarchat. Bad Sauerbrunn : Ed. Tau, 1993

Hilde Schmölzer: Die verlorene Geschichte der Frau : 100.000 Jahre unterschlagene Vergangenheit. Mattersburg : Ed. Tau, 1991

Sendereihe