Gedanken für den Tag
von Brigitte Schwens-Harrant, Germanistin, Theologin und Feuilletonchefin der Wochenzeitung "Die Furche". "Und es ist doch möglich ..." - Zum 20. Todestag von Michael Ende. Gestaltung: Alexandra Mantler
17. August 2015, 06:56
In Michael Endes Buch "Der Spiegel im Spiegel" begegnet in einer Geschichte ein Kind einem Mann, der Magier und Gaukler ist. Dieser heißt, wie er selbst sagt, am Anfang Ende. Das Kind heißt einfach nur Kind, bekommt aber schließlich vom Mann den Namen Michael. Denn einen richtigen Namen sollte man schon haben.
Michael Ende, der damit seinen eigenen Namen in diese Geschichte eingeschrieben hat, war als Schriftsteller wohl beide: der Magier und Gaukler, ein Erwachsener, aber auch das Kind, der Autor, aber vielleicht auch die eine oder andere seiner Figuren.
Ende, der vor 20 Jahren gestorben ist, vermochte in seinen Texten wie ein Magier zu zaubern, wie ein Gaukler zu jonglieren. Er wusste seine großen und kleinen Leserinnen und Leser in die Welt von Phantásien zu verführen, mit Schöpfungen wie Momo und die Zeitdiebe, Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer und dem leidenschaftlichen Leser Bastian in seinen in zig Sprachen übersetzten Buch "Die unendliche Geschichte".
Darin zieht sich Bastian, statt in die Schule zu gehen, auf einen Speicher zurück, mit einem gestohlenen Buch mit dem wunderbaren Titel "Die unendliche Geschichte". Dieses Buch lockt nun Bastian - und mit ihm alle anderen Leserinnen und Leser - in eine andere Welt, in jene der Phantasie. Diese Welt der Phantasie ist bei Ende allerdings keine Welt, die wegführt aus der Welt der Wirklichkeit.
In jener Geschichte aus dem Buch "Der Spiegel im Spiegel", in dem der Magier und Gaukler Ende auf das Kind Michael trifft, sagt das Kind angesichts der verwüsteten Welt die entsetzliche Aussage, dass man nirgends mehr wohnen wird. Und der Mann fragt: "Was machen wir da?" Da schlägt das Kind vor: "Wir könnten zusammen losgehen ... und eine neue Welt suchen, wo wir beide wohnen können."
Der Mann findet das eine gute Idee und ergänzt: "Und wenn wir keine finden, dann zaubern wir uns eine."
Das beschreibt, was Michael Ende in seinen Büchern tut, was die Kraft der Literatur sein kann und woran sie möglicherweise erinnert: Die Welt nicht einfach hinzunehmen, so wie sie ist.
Und bei alldem ist es beileibe nicht so, dass immer nur der Erwachsene weiß, wo es langgeht. "Unter dem schwarzen Himmel gehen sie", heißt es in Michael Endes Geschichte dann, "auf den Horizont zu und werden kleiner und kleiner. Sie halten sich gegenseitig an der Hand und man weiß nicht genau: Wer führt wen?"
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Sendereihe
Playlist
Komponist/Komponistin: Klaus Doldinger/geb.1936
Bearbeiter/Bearbeiterin: Klaus Doldinger/geb.1936
Gesamttitel: DIE UNENDLICHE GESCHICHTE / Original Filmmusik
Titel: Flug auf dem Glücksdrachen
Leitung: Klaus Doldinger
Orchester: Unbekannt
Länge: 02:00 min
Label: WEA 2503962