Gedanken für den Tag

9. September 2015, 06:56

Sprachbarrieren und Sprachverwurzelung

Nachdem wir uns nun die gesamte Woche mit der Situation von unbegleiteten Kindern und Jugendlichen auf der Flucht befassen, muss auch angesprochen werden, was nach der rettenden Ankunft in Österreich weiter passieren soll. Angenommen, die ersten Schockwellen der Flucht legen sich, und die unbegleiteten Kinder und Jugendlichen beginnen, neben dem Gestern und dem Heute auch ein mögliches Morgen wahr zu nehmen: das wäre ein erster deutlicher Hinweis auf eine Stabilisierung. Dieses Wahrnehmen des möglichen Morgens ist ein zartes Pflänzchen, das im gegenseitigen Interesse der minderjährigen Flüchtlinge und des Gastlandes mit größter Sensibilität behandelt werden sollte. Alles, was wächst und sich entwickelt, braucht Zukunftshoffnung. Alles Wachsenwollende, das diese Hoffnung vermisst, ist leichte Beute diverser Rattenfänger und Köderleger. Was also ein Jugendlicher in solcher Situation benötigt, ist eine Möglichkeit, zu Bildung zu kommen, und diese Möglichkeit steht und fällt natürlich mit dem gewährleisteten oder auch nicht gewährleisteten Spracherwerb. Man kann sogar ganz brutal verkürzend behaupten: Ohne Sprache keine Zukunft. Und in weiterer Folge: Ohne Sprache keine neue Heimat. An allererster Stelle müsste also bei der Betreuung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge der Spracherwerb stehen. Kinder und Jugendliche lernen schnell und sind üblicherweise sehr bald fähig, akzentfrei zu sprechen. Heute hört niemand mehr heraus, dass ich nicht in Österreich geboren wurde. Der Akzent, die Wortlosigkeit, die ihr Anderssein einzementieren, fallen wesentlich schneller weg als bei Erwachsenen: diesen entscheidenden Vorteil muss man so zügig wie effektiv nützen: nur so haben die Kinder die Gelegenheit, zu beweisen, was in ihnen steckt.

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