Gedanken für den Tag

von Eva Wallensteiner, entwicklungspolitische Projektreferentin für Indien der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar. "Wenn Feuer göttliche Formen annimmt" - Diwali. Gestaltung: Alexandra Mantler

O, wo ist das Licht? Entzünd es
am brennenden Feuer der Sehnsucht. Es
donnert, der Wind stürzt kreischend
durchs Leere.

Rabindranath Tagore, Nobelpreisträger und wohl wichtigster indischer Philosoph und Gelehrter besingt in seinem Buch "Gitanjali" die Lichter, die die dunkle Nacht erhellen, um dem Mythos zufolge Gott Rama zurückzuführen in seine Geburtsstadt Ayodhya. Alljährlich erleuchten Millionen Öllichter Städte, Dörfer, Häuser und Straßen, um den Kampf des Guten gegen das Böse zu symbolisieren.

Die Lichter werden auch 2015 leuchten und den Weg weisen. Doch die Geburtsstadt Ramas Ayodhya ruft seit 1992 Erinnerungen an Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Muslimen wach. Die Moschee sollte einem Hindutempel weichen und so die Geschichte muslimischer Herrschaft in der Geburtsstadt Ramas aus dem Gedächtnis löschen. Fundamentalistische Kräfte zerstörten das friedliche Miteinander der Einwohner, ein politischer Machtkampf war entfacht, dessen Auswüchse heute noch spürbar sind.

Die Stadt Ayodhya trägt das Stigma religiöser Hetze und seine offene Wunde ist ein alarmierendes Warnzeichen für uns alle. Politische Interessen benutzen Mythen, um die Geschichte neu zu interpretieren und sie neu zu schreiben. Gewaltvolle Ausschreitungen im Namen religiöser Richtungen bestimmen die tägliche Berichterstattung weltweit. Es scheint, als zöge Mutter Courage wieder durch die Lande und kein Grenzzaun hält die Kriegsgewinnsucht im Zaum. Karl Kraus und Jura Soyfers theatrale Angstträume sind wiedergekehrt in die Newsrooms der Welt.

Wie viele Lichter müssen noch angezündet werden, um Unwissenheit und Verblendung in mir und in der Welt zu vertreiben? Wie lassen sich manipulative Kräfte erkennen, die die religiösen Gefühle der Menschen missbrauchen? Wie lange lassen wir uns weiter gegeneinander aufhetzen?

Rabindranath Tagore weiß, dass aktive und liebevolle Hinwendung die Augen öffnet.

Die Nacht ist schwarz,
schwarz wie ein Stein. Lass nicht die Stunden
vergehen im Dunkeln. Zünde die
Lampe der Liebe mit deinem Leben.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Richard Attree
Gesamttitel: ETHNIC IMPRESSIONS
Titel: India - Delhi
Länge: 02:00 min
Label: Cavendish music CAV CD 59

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