Radiokolleg - Gemeinschaftsgut Internet

Der Aufbau freier Netze als soziale Bewegung
(1). Gestaltung: Armin Medosch

Internet-Aktivist/innen in Deutschland, Österreich, Spanien, Italien und Griechenland verfolgen das Ziel, Netze aufzubauen, die im Gemeineigentum ihrer Betreiber/innen sind und eine freie und gleichberechtigte Kommunikation ermöglichen - das Internet als Commons, auf deutsch Netzwerkallmende. Diese Initiativen, die auf Namen wie Freifunk, Funkfeuer oder Guifi hören, existieren vielerorts seit Anfang der 2000er Jahre. Sie benutzen WLAN, zunehmend aber auch andere Technologien wie Glasfaser, um ihre nichtkommerziellen Netze aufzubauen. Nach anfänglichem Enthusiasmus war es gegen Ende der 2000er Jahre ruhig um diese Initiativen geworden. Dann aber kam die Wirtschaftskrise 2008 und die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden über die weitgespannten Überwachungsanstrengungen der USA und ihrer verbündeten Geheimdienste, aber auch ein zunehmendes Bewusstsein der User/innen über mangelnden Schutz der Privatsphäre in sogenannten sozialen Netzwerken. Seither erfreut sich die Netzwerkallmende wieder starken Zulaufs. Auf 30.000 Knoten bringt es Guifi.net in Spanien, das vor allem in kleineren Ortschaften auf dem Land die einzige Alternative ist, kostengünstigen Breitbandzugang zum Internet zu schaffen. Athens Wireless und ländliche Initiativen in Griechenland bringen sich in lokale Solidarökonomien ein. Doch selbst im wohlhabenden Deutschland erfährt Freifunk mit knapp unter 20.000 Knoten zuletzt wieder starkes Wachstum. Erleichtert wird dieses schnelle Wachstum durch Fortschritte in der Technik, die von den Gemeinschaftsnetzwerkern selbst entwickelt wurden. Dabei werden handelsübliche WLAN-Router mit einer eigenen sogenannten Firmware bestückt, einem alternativen, auf Linux beruhenden Betriebssystem. Dieses enthält eine spezielle Routingsoftware, also eine Software, die wie ein Wegweisersystem im Netz funktioniert, und für die besonderen Bedingungen drahtloser Netze optimiert wurde. Was vielfach als technikverliebte Bastelei begann, entwickelt immer stärker gesellschaftspolitische Dimensionen. Der allgemeine Innovationsstau in der Gesellschaft und Praktiken wie jene der Abmahnkanzleien in Deutschland, die Betreiber/innen offener WLAN-Knoten mit teuren Gerichtsprozessen bedrohen, sorgen erst recht für neue Motivation unter den Freifunker/innen. Kleinere Gemeinden und auch Städte erkennen, dass es für sie einfacher und billiger ist, in Zusammenarbeit mit diesen Initiativen offenes WLAN in ihre Stadtzentren zu bringen. Freifunk in Deutschland hat auch damit begonnen, gratis und ehrenamtlich freie Netze in Flüchtlingsunterkünften aufzubauen. Doch schon droht neues Ungemach. Eine EU-Direktive will das Bespielen von Routern mit heimgestrickter Firmware verbieten. Wird die Netzwerkallmende also nun per Gesetzesbeschluss verboten? Oder erwächst daraus nur ein neuer Anreiz für den Einfallsreichtum und das Geschick derjenigen, die eine der letzten Internet-Utopien aufbauen wollen?

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