Radiogeschichten

Ex libris-Nachlese.
Christine Lavant: "Das Kind". Es liest Andrea Bröderbauer. Gestaltung: Peter Zimmermann

Das Robert-Musil-Institut der Universität Klagenfurt gibt seit dem Jahr 2014 im Wallstein Verlag das Werk der Kärntner Dichterin Christine Lavant heraus. Vier Bände sollen es werden. Nach den "Zu Lebzeiten veröffentlichten Gedichten" liegen nun die "Zu Lebzeiten veröffentlichen Erzählungen" vor. Am Anfang des Bandes steht der 1948 erstmals publizierte Text "Das Kind", in dem Lavant die autobiografische Erfahrung eines frühen Krankenhausaufenthalts verarbeitet. Seit früher Kindheit an einer Vielzahl von Krankheiten leidend, hat sie die Existenzbedingungen von körperlich beeinträchtigten Menschen aus eigener Erfahrung gekannt. So beschreibt sie schlicht, aber mit großem Einfühlungsvermögen, wie die triste Lebenssituation eines kleinen, aus ärmlichsten Verhältnissen stammenden Mädchens, das es ohnehin gewohnt ist, eine Außenseiterin zu sein, in der sterilen, unpersönlichen, als bedrohlich empfundenen Welt der Klinik noch verschärft wird.

"Den Unmündigen aber / wird es offenbar werden", steht als Motto über der Erzählung Aus diesem Satz spricht eine religiöse Diktion, die sich auch der Sprache der Bibel bedient, ohne sich ihr unterzuordnen. Der Satz kondensiert auch die Kraft der Hoffnung, die der miserablen Realität immer wieder entgegengesetzt wird. Christine Lavant lässt ihre Protagonistin aber aber nicht als völlig hilflos erscheinen; keineswegs ironisiert sie oder distanziert sie sich von Formen der kindlichen Realitätsverweigerung, sondern enthüllt sogar die geradezu emanzipatorische Kraft, die auch aus solchen Überlebensstrategien erwachsen können.
Andrea Bröderbauer liest aus Christine Lavants Erzählung "Das Kind". Diese findet sich im Band "Zu Lebzeiten veröffentlichte Erzählungen", der im Wallstein Verlag herausgekommen ist.

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