Radiogeschichten

Ex libris-Nachlese. Roland Barthes: "Fragmente einer Sprache der Liebe" (Suhrkamp Verlag). Es liest Detlev Eckstein. Gestaltung: Peter Zimmermann

Roland Barthes war neben Michel Foucault, Jacques Derrida, Jean Baudrillard oder Jacques Lacan einer der einflussreichsten französischen Intellektuellen nach 1968. Von ihnen, die allesamt versucht haben, jenseits der akademischen Norm zu agieren, war Barthes möglicherweise der unakademischste. Vielleicht sollte man ihn sogar als Schriftsteller bezeichnen - jedenfalls hatte er es nicht leicht, sich als Wissenschaftler durchzusetzen. Er selbst hat darauf bestanden, sich nicht festzulegen, wie und worüber er nachdachte und schrieb, deshalb lässt sich, wenn man sich das umfangreiche Werk ansieht, gar nicht sagen, dass es da einen thematischen Schwerpunkt gibt. Was in Büchern wie "Mythen des Alltags", "Fragmente einer Sprache der Liebe", "Die Lust am Text", "Die helle Kammer" oder "Die Vorbereitung des Romans" auffällt, ist zum einen der autobiografische Zugang, zum anderen das sprachliche Umkreisen des jeweiligen Themas, um der Art und Weise, wie man darüber spricht, auf die Spur zu kommen. Sein privatestes und erfolgreichstes Buch waren die 1977 erschienenen "Fragmente einer Sprache der Liebe", das nun in einer erweiterten Neuausgabe vorliegt. Bislang war in deutscher Übersetzung nur eine gekürzte Fassung zu lesen. Es geht darin nicht nur um den Kampf des Liebenden mit einer Sprache, die oft nicht in der Lage ist, das Gefühlte auszudrücken. Es geht auch um Lektüren, die Barthes als Untersuchungsgegenstand dienen. Denn eine Sprache der Liebe ist immer auch eine Sprache der Verdrängung, der Sublimierung, der Umschreibung. Vor allem geht es um ein Buch, um Goethes Die Leiden des jungen Werthers.

Bei Roland Barthes ist der Liebesdiskurs immer auch ein Diskurs über den Schmerz. Die Liebe als grundstürzendes Gefühl, das nichts anderes als sich selbst und das geliebte Wesen kennt - das mag heute romantisch oder gar anachronistisch anmuten. Doch allen medialen Bildern von der Liebe setzt Barthes die Auffassung entgegen, dass der Diskurs der Liebe von extremer Einsamkeit ist.
In der Liebe ist das, was da ist, nicht unbedingt das, was man ausdrückt. Der Sprechende kann sich von Konventionen nicht befreien, er dringt oft genug nicht durch zu seinem Empfinden. Kurzum: er ist sprachlos. Wie etwa soll man über das Liebessehnen sprechen?

Roland Barthes war der Überzeugung, dass es nichts gibt, was nicht erklärbar und nichts, was nicht verstehbar ist, und das gilt auch für den Fall der Liebe. Die Würde der Erkenntnis liegt in der Mühe, diese Erklärbarkeit im Diskurs herzustellen. Er selbst, Barthes, ist die Hauptperson. Er ist der Liebende, aber er ist durch Denken zur Selbstdistanz und zu einer Art Objektivierung fähig.

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