Zwischenruf

von Superintendent Hermann Miklas (Graz)

Ökumene - worum geht´s da eigentlich?

Heute ist der vorletzte Tag der sogenannten "Weltgebetswoche für die Einheit der Christen". "Das" ökumenische Großereignis des Jahres sozusagen - es wird immer genau zwischen dem 18. und dem 25. Jänner begangen, unabhängig davon, um welche Wochentage es sich dabei gerade handelt.

In dieser Zeit kommen im ganzen Land Protestanten, Katholiken und Orthodoxe zusammen, um zu beten, sich auszutauschen und miteinander zu feiern. Und das ist nicht zu unterschätzen, denn Informelles und Atmosphärisches ist oft wesentlich wichtiger als vieles andere. Gerade wir Österreicher wissen ja auf diesem Klavier meisterhaft zu spielen, darum können sich die ökumenischen Beziehungen in Österreich international auch durchaus sehen lassen. Trotzdem ist es interessant, wieder einmal zu fragen: Abgesehen von solch freundschaftlichen Begegnungen, worum geht´s denn - heutzutage - in der Ökumene überhaupt noch? Nämlich inhaltlich?

Ja, früher, in der Anfangszeit der ökumenischen Bewegung, da hat es viel Gesprächsstoff gegeben (die Älteren unter uns erinnern sich wohl noch daran): jede Menge theologische Themen, die heiß umstritten waren, moralisch-ethische Kontroversen, unterschiedliche Formen von Spiritualität, ein völlig unterschiedliches Verständnis von dem, was es heißt, "Kirche" zu sein, und, und, und.

Doch vieles davon ist inzwischen längst ausdiskutiert. So manche alte Differenzen sind beilgelegt; andere sind zwar geblieben, haben aber für die Gegenwart nur noch wenig Bedeutung. Nach wie vor unbefriedigend ist höchstens die Tatsache, dass wir als Christen verschiedener Konfessionen bis heute nicht miteinander Abendmahl, bzw. Eucharistie feiern können.
Das ist wirklich schade - und wird von den meisten Menschen auch nicht mehr verstanden. Am wenigsten von gemischt konfessionellen Familien: Dass ein Paar zwar Tisch und Bett miteinander teilen, aber nicht gemeinsam zum Tisch des Herrn gehen darf. In dieser Frage ist noch viel Luft nach oben für die gegenseitige Annäherung.

Ansonsten aber hat Ökumene im 21. Jahrhundert nur noch wenig mit frommer Nabelschau zu tun. Statt kircheninterne Fragen in langen Endlosschleifen immer (und immer wieder neu) durchzukauen, gilt es heute jede Menge gemeinsamer aktueller Herausforderungen entschlossen auch miteinander aufzugreifen.

Ganz praktisch etwa in der Flüchtlingsfrage, an den österreichischen Grenzbalken. Aber ebenso bewusstseinsbildend, im Sensibilisieren der ganzen Gesellschaft: Wie kann eine echte "Willkommenskultur" für Traumatisierte gelebt werden, ohne damit die eigenen Strukturen zu überfordern? Und auch ohne damit die eigene westliche Identität preiszugeben?

Was braucht es außerdem zu einer gelingenden Integration - von Seiten derer, die kommen - genauso wie von unserer Seite, die wir bisher hierzulande ja mehr oder weniger "unter uns" waren? Denn längst lautet die Frage bei der Integration nicht mehr: Ob - oder ob nicht? Sondern nur noch: Wie?

Welche Konsequenzen ziehen wir als Christen auch aus der treffenden Analyse von Fürst Karl Schwarzenberg, dem früheren tschechischen Außenminister, der unlängst gesagt hat: "Nicht neue Moscheen machen mir Angst, sondern die vielen leeren Kirchen". Welche neuen Impulse zur Belebung der christlichen Spiritualität können wir in unserem Land gemeinsam setzen - nicht gegen Andersgläubige, sondern gerade um des interreligiösen Dialoges willen? Des Dialogs auf gleicher Augenhöhe?

Kurz: Die Themen der Ökumene haben sich gewandelt; langweiliger geworden sind sie keinesfalls. Und in der Ökumene ist es ähnlich wie in einer - lebendigen - Koalition: In vielem ist man sich rasch einig, in manchem muss man um eine gemeinsame Linie erst einmal etwas länger ringen. Aber es lohnt sich! Und das gemeinsame Gebet ist dabei allemal hilfreich.
Darum ist die "Weltgebetswoche für die Einheit der Christen" schon viel mehr als nur netter, aber unverbindlicher ökumenischer Smalltalk.

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