Radiokolleg - Der Erneuerer der Kirchenmusik

Giovanni Pierluigi da Palestrina und der Vatikan (3). Gestaltung: Christina Höfferer

Klarheit, bei aller polyphonen Meisterschaft und emotionale Ausdruckskraft bei gleichzeitiger höchster thoretischer Kunstfertigkeit - das sind Eckpfeiler der Kompositionskunst von Giovanni Pierluigi da Palestrina. Im Rom des 16. Jahrhunderts war Palestrina der richtige Mann am rechten Ort, hatte doch gerade der humanistische Philosoph und Theologe Erasmus von Rotterdam über den musikalischen Geschmack der ranghöchsten Kleriker gelästert: "Was denken die von Christus, wenn sie glauben, dass dieser sich an einem solchen Stimmengewirr erfreuen würde?" Ein wildes Gezwitscher erklang zu jener Zeit in den Kirchen, befand Erasmus. Die verschiedenen Stimmen der Chöre verschmolzen zu einem ununterscheidbaren Klangteppich, bei dem vor lauter virtuosen Verzierungen kein Wort der Messen und geistlichen Texte mehr zu verstehen war. Spektakel- und Unterhaltungsmusik rankte sich am Rande der Messen um so profane Themen wie Liebesleid oder Heldenruhm von Fürsten. Doch da kam Palestrina und stellt die Musik ganz in die Dienste der Vertonung, übrigens nicht nur geistlicher Texte. Der Palestrina-Stil wurde in den folgenden Jahrhunderten in ganz Europa zum Modell für idealtypische Kompositionen, sowie für harmonische Perfektion im Sinne einer neoplatonischen Philosophie. Über 100 Messen, mehr als 300 Motetten und zahlreiche Offertorien, Hymnen und Magnificatvertonungen flossen aus der Feder Palestrinas und fanden mittels der damals neuen Drucktechnik Verbreitung.

Der kleinen Ort Palestrina un der Nähe von Rom ruht auf den Grundmauern eines antiken Heiligtums. Und auch der nach diesem Ort benannte Giovanni Perluigi berief sich für seine Musik auf alte Wurzeln - den einstimmigen christlichen Kirchengesang, der heute als gregorianischer Choral bekannt ist. Er wurde in einem Heiligen Jahr, 1525, geboren - übrigens befindet sich die katholische Welt gerade eben auch in einem solchen heiligen Jahr - es dauert bis zum 20. November 2016. Karrierehöhepunkte Palestrinas waren die Leitung der päpstlichen Cappella Giulia und der Cappella Sistina. Er musizierte in der Lateranbasilika ebenso wie in Santa Maria Maggiore. Als man im Zuge der tridentinischen Kirchenreform über die Abschaffung der polyphonen Musik im sakralen Bereich debattierte, wurde Palestrina zu Rate gezogen. Dieser schrieb daraufhin die Missa Papae Marcelli, eine in jeder Hinsicht perfekte Musik, mit der er überzeugte, dass komplexe Vielstimmigkeit und klare Spiritualität vereinbar sind. Giovanni Pierluigi da Palestrina war eine öffentlich berühmte Gestalt, viel bewundert und umworben von mehreren Fürstenhöfen, darunter auch vom habsburgischen Kaiserhaus in Wien. Allerdings verhinderten die Gehaltsforderungen des selbstbewussten Mannes einen Jobwechsel von Rom nach Wien.

Service

Fondazione Pierluigi da Palestrina, Palestrina-Stiftung
Marco Gambini, segretario, Fondazione Giovanni Pierluigi da Palestrina
Vicolo Pierluigi 3 - 00036 Palestrina (Rm)
tel e fax 069538083

Christina Höfferer, Lesereise Vatikan. Mit der roten Vespa zum Petersplatz, Picus Verlag.
Johanna Japs, Die Madrigale von Giovanni Pierluigi da Palestrina. Genese - Analyse - Rezeption, Collectanea Musicologica 12.
György Lang, All'ombra della cattedrale. Romanzo dell'infanzia di Giovanni Pierluigi da Palestrina. Traduzione dall'originale ungherese di Johann Herczog, Fondazione Giovanni Pierluigi da Palestrina.
Reinhard Raffalt, Musica Eterna. Aus fünf Jahrhunderten abendländischer Musik, Piper Verlag.
Giancarlo Rostirolla, Musica e Musicisti nella Basilica di San Pietro. Cinque Secoli di storia della Cappella Giulia, Edizioni Capitolo Vaticano

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