Gedanken für den Tag

von Doris Schretzmayer, Schauspielerin. "Mutterseelen-gemeinsam". Gestaltung: Alexandra Mantler

Der Verein "grow together" unterstützt u.a. Frauen, die bisher im Leben kaum Chancen erhalten haben, die selbst als Kind kaum Wertschätzung erfahren haben und aus sogenannten sozial schwachen Verhältnissen stammen.

Seit vergangenem Sommer arbeite ich mit diesen Frauen an Rollen: In einer anderen Rolle kann man das eigene Ich in den Hintergrund treten lassen und es tun sich neue Handlungsspielräume und Perspektiven auf. Unlängst habe ich das Thema der griechischen Odyssee mit in die Gruppe genommen. Ich bereite dieses Stück gerade fürs Sommertheater vor und werde Penelope spielen.

Kurz zur Erinnerung: In dem etwa 3000 Jahre alten Epos nach Homer geht es um Odysseus, der gegen seinen Willen im Trojanischen Krieg kämpfen und dafür seine Frau Penelope und sein Baby zurücklassen muss. Erst zwei Jahrzehnte später kehrt er zurück.

Es ist unter anderem - eine große Geschichte über Liebe und Sehnsucht. Ich wollte die Assoziationen der Frauen kennenlernen und erzählte ihnen den Inhalt. Ihre ersten Reaktionen waren sehr emotional: "Immer darf der Mann gehen und Abenteuer erleben, während die Frau zu Hause ans Kind gebunden ist und alles übernehmen muss." - Wut und alte Enttäuschungen haben sich da gezeigt, entsprach das ja auch einem Teil ihrer eigenen Erfahrungen, und der ihrer Mütter und Großmütter.

Verständnis kam auf, als ich sie darauf hingewiesen habe, dass Odysseus nicht freiwillig gegangen war und gern schon viel früher zu Frau und Kind zurückgekehrt wäre, wäre da nicht immer was dazwischen gekommen.

Eine der Frauen konnte sich mit dem Warten gut und gern identifizieren, sie sagte "Treue macht mich stolz und stark". Eine andere Frau wiederum erzählte, dass es sich schrecklich anfühlt, mit der großen Verantwortung alleingelassen zu werden, "Typisch Alleinerzieherin", sagte sie, da sei das Muttersein Überforderung und Unfreiheit. Da fiel ihr eine weitere Frau aufgebracht ins Wort und meinte: "Aber die Frau vom Odysseus ist doch nicht allein! Sie hat Unterstützung am Hof, sie hat die Amme, ihre Schwiegereltern, Bedienstete - sie hat Menschen, die sie unterstützen und mit denen sie über alles reden kann! Die geben ihr Kraft und sie passen auch auf das Kind auf, sodass sie sich dann wieder auf das Kind freuen kann! Wenn man andere hat, ist alles nicht so schlimm".

"Um ein Kind gut heranwachsen zu lassen, ist ein ganzes Dorf notwendig", kam mir in den Sinn. Egal, ob vor Hunderten von Jahren oder Heute. Dieses "Dorf" besteht aus Menschen, die die Verantwortung mit der Mutter liebevoll gemeinsam tragen, mit ihr lachen und weinen und sowohl das Kind als auch die Mutter umsorgen: Verwandte, Freunde, Nachbarn und im besten Fall natürlich auch der Vater des Kindes.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Titel: GFT 160506 Gedanken für den Tag / Doris Schretzmayer
Länge: 03:49 min

Komponist/Komponistin: George Gershwin/1898 - 1937
Bearbeiter/Bearbeiterin: Jascha Heifetz /Arrangement/1901 - 1987
Album: TANGO SONG AND DANCE: ANNE-SOPHIE MUTTER, ANDRE PREVIN, LAMBERT ORKIS
* My Man's Gone Now - Nr.4 (00:04:19)
Titel: Porgy and Bess - Transkription aus der Oper für Violine und Klavier
Solist/Solistin: Anne Sophie Mutter /Violine
Solist/Solistin: Andre Previn /Klavier
Länge: 02:00 min
Label: DG 4715002

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