Gedanken für den Tag

von André Heller, Künstler. "Garten Eden in Marokko". Gestaltung: Alexandra Mantler

Was haben Sie für einen Grund, den Menschen zu lieben, den sie jetzt gerade lieben? Das sind unerklärliche Vorgänge.

Der hat eine Melodie, einen Ton, auf den er gestimmt ist. Die hat eine Melodie, einen Ton, auf die sie gestimmt ist. Und dann kommen wir mit unserem Ton daher und unserer Melodie und dann merken wir, da gibt es eine Übereinstimmung. Und diese Übereinstimmung bietet uns so etwas wie einen Ankerplatz. Und dann fühlt man sich in der Gegenwart dieses Menschen - zunächst einmal eine gewisse Zeit, und wenn man Glück hat, für sehr lange - wohl und aufgehobener.

Und so geht es mit Landschaften, so geht es mit Musiken, mit Büchern, mit Bildern. Die Welt ist angefüllt mit Übereinstimmungen oder mit Nicht-Übereinstimmungen. Also ich habe sehr viel mehr Nicht-Übereinstimmungen, wahrscheinlich die meisten. Aber man jauchzt natürlich, wenn man einem Gebäude, einer Melodie, einem Lächeln, einer Sprache, einer Berührung begegnet, die einen wirklich zutiefst positiv erschüttert. Und so ist es mir mit Marokko von Anfang an gegangen, vom Jahr 1972 an, wo ich das erste Mal dort war. War das eine Mischung aus einem Deja-Vu, "ich kenn mich da aus, mir ist das alles bekannt", und einem "was bedeutet das jetzt für mich, dass ich hier so viel mehr an Fähigkeit in mir spüre, so viel mehr an Beflügelung als in Wien oder New York oder Paris"?

Mein Fremdeln in Österreich ist eben nicht dieses Thomas Bernhardsche oder Elfriede Jelineksche, das eine Variation des Fremdelns ist, sondern es ist einfach eine ganz klare, energetische Zugehörigkeit zu etwas anderem, nicht weil ich Österreich nicht mag, sondern weil ich das dort als meines erkannt habe. Aber nicht, weil mir Österreich nicht gut genug ist oder so. Ich kenne in Österreich viele, viele Dinge, die ich sehr, sehr gern habe. Aber offensichtlich bin ich ein so in der Wolle gefärbter Südling, mir tut Kälte nicht gut und Hitze tut mir sehr gut. Ich habe im Juli dort - ohne mit der Wimper zu zucken - einmal 61 Grad ausgehalten und habe mir gedacht: Das tut mir nichts. Aber minus drei in Wien - da möchte ich mich schon in ein Flugzeug verwandeln, das auf der Stelle wegfliegt.

Service

Anima

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Titel: GFT 160929 Gedanken für den Tag / Andre Heller
Länge: 03:49 min

Komponist/Komponistin: Traditional
Album: JERUSALEM. DIE STADT DER ZWEI FRIEDEN/Musik zur Geschichte Jerusalems
Titel: 27. Ghazali (instr./ überliefert aus Marokko) (00:44)
Gesamttitel: Gesangsdialog (Anonym mündlich überliefert)
Gesamttitel: VII. DER IRDISCHE FRIEDEN: EINE PFLICHT, EINE HOFFNUNG
Ausführende: Hesperion XXI und Gäste
Ausführende: La Capella Reial de Catalunya
Leitung: Jordi Savall
Ausführender/Ausführende: Montserrat Figueras /Gesang
Ausführender/Ausführende: Michael Grebil /Ceterina
Ausführender/Ausführende: Driss El Maloumi /Gesang und Oud
Ausführender/Ausführende: Yair Dalal /Gesang und Oud
Ausführender/Ausführende: Muwafak Shahin Khalil /Gesang
Ausführender/Ausführende: Begona Olavide /Gesang
Länge: 02:00 min
Label: alia vox AVSA 9863 (2 CD)

weiteren Inhalt einblenden