Oliver Tanzer

LUKAS BECK

Gedanken für den Tag

von Oliver Tanzer, Autor und Leiter des Wirtschaftsressorts der Wochenzeitung "Die Furche". "Das Böse und das Geld" - Eine Reise zu den gar fürchterlichen Schattenseiten des Kapitals in Legenden, Dichtung und religiöser Wahrheit - und wie sie unsere Wirklichkeit prägen. Gestaltung: Alexandra Mantler

Geld und Fetisch - Von Dagobert zu Faust

Wir haben bisher viel vom Bösen gesprochen, aber kaum vom Geld. Klingt aufs erste auch ein wenig fad.

Wer brav zur Schule geht und etwas über das Geld lernen möchte, hört immer, es sei ein Mittel der Wertaufbewahrung und des Tausches und der Wertmessung. Wer aber über die tatsächlichen Wirkungen und möglichen unerwünschten Nebenwirkungen des Geldes informiert werden möchte, der muss die Lehrbücher zur Seite legen. Man kann dabei auch sehr kindisch werden und wird trotzdem Wichtiges über Geld erfahren. Etwa in den Comics von Walt Disney - bei Dagobert Duck, der Karikatur des kapitalistischen Unternehmers.

Geld ist dem reichsten Erpel der Welt alles. Dagobert verehrt und liebt sein Geld, er badet darin, küsst und liebkost es. Es ist der Fetisch, in den er all seine Energien und sein Lustempfinden füllt. In diesen Milliarden Talern stecken tatsächlich Dagoberts innere Werte, all seine Libido, seine Wünsche und Fantasien. Er glaubt an nichts anderes als an diese eine Macht. Er erinnert da ein wenig an Goethes Faust-Drama, in dessen Verlauf sich die gierigen Untertanen eines ebenso gierigen Kaisers, vom Papiergeld des Mephistopheles verführen lassen und die Welt in weiterer Folge in eine düstere Landschaft verwandeln, in der Lemuren die Vorhölle auf Erden vollenden.

Dagobert Duck und Faust treffen einen Nerv. Unsere Liebe zum Besitz. Der Ökonom John Maynard Keynes hatte sicher keine Dichtung und kein Comic im Sinn, sondern die Realität, als er zur Geldliebe Stellung nahm und meinte, sie müsse irgendwann den psychiatrischen Krankheiten zugeordnet werden.

Tatsächlich können wir nur ahnen, was alles hinter und unter dem Mäntelchen des Geldes verborgen liegt. Die Kultur eines ökonomischen Eros etwa, der von wirtschaftlichem Hunger und ökonomischer Angst getrieben wird. Beide Emotionen schaffen Manien und Depressionen, die die Finanzmärkte heimsuchen - und damit auch die Gesellschaft. Aber in dieser panik- und krisenschaffenden Funktion ist die Wirkung des Geldes vollständig unterbeleuchtet. Es wird rationalisiert und materialisiert - ein kapitaler Fehler. Aber mit jeder Spekulationsblase, die sich über einzelnen Märkten aufbläht und platzt, rächt sich der Fetisch Geld an seinen allzu rationalen Schöpfern.

Davor warnt indirekt sogar Goethes Mephistopheles, als er mit der Papiergeldschöpfung für die Menschen beginnt: "Ich schaffe, was ihr wollt, und schaffe mehr. Zwar ist es leicht, doch wiegt das leichte schwer." In diesem Sinne war der faust´sche Teufel ein guter Ökonom. Er wusste zumindest, was er tat oder besser "untat".

Service

Tomas Sedlacek und Oliver Tanzer, "Lilith und die Dämonen des Kapitals", Hanser Literaturverlage

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Robert Leroy Johnson
Titel: Me And The Devil
Ausführende: Soap & Skin
Länge: 02:00 min
Label: Solfo/PIAS

weiteren Inhalt einblenden