Zwischenruf

von Pfarrer Marco Uschmann (Wien)

Die Welt ist sich einig: So geht es nicht. Was der neue amerikanische Präsident sich leistet, wird zunehmend grotesker: Es ist gar nicht so lange her, da wurde der Fall einer Mauer zu Recht als große menschliche Errungenschaft gefeiert. Nun errichtet Donald Trump eine neue.

Seit Jahrhunderten ringen Menschen um Religionsfreiheit, sie gilt als großes und schützenswertes Gut. Religionsfreiheit gilt als Merkmal entwickelter Demokratien, sie ist Ausweis von Toleranz und Vernunft. Präsident Trump dagegen grenzt Menschen aus, die die vermeintlich falsche Religion haben. Das ist nicht nur unvernünftig, das ist auch unchristlich. Ich sage das deswegen, weil der Präsident im Wahlkampf auch von seiner Religion gesprochen hat und seine Konfession als Presbyterianer hervorgehoben hat. Die Bibel sei sein Lieblingsbuch, sagte er in einem Interview vom vergangenen August. Bezeichnenderweise ist sein Lieblingsbibelvers "Auge um Auge, Zahn um Zahn".

Nun kann man sagen, dass Wahlkampf und Realität nicht viel miteinander zu tun haben - nicht nur in den USA. Weiters kann man in den USA (noch) keinen Wahlkampf ohne ein deutliches Bekenntnis zum Christentum gewinnen. Abgesehen davon wechselte Trump ja die Partei - wurde vom Demokraten zum Republikaner. Das rechnen ihm konservative Christen in den USA nach wie vor hoch an. Auch ist Trump für viele weiße evangelikale Christen jemand, der den Verfall der Sitten stoppt. So bedeutet in ihren Augen sein Slogan "Make America great again" nichts anderes, als dass Homosexualität wieder geächtet wird oder dass gegen die vermeintliche Sünde der Abtreibung massiv angegangen wird.

Das mag auch mit ein Grund sein, warum Trump seine Konkurrentin Hillary Clinton besiegt hat, stand sie doch für einen liberalen Umgang mit diesen und anderen Themen. Das machte sie für viele amerikanische konservative Christen unwählbar. So ist Trump auch mit vielen evangelikalen und konservativen christlichen Stimmen Präsident geworden.

Trump, der Christ, grenzt nun Menschen aus, die das falsche Bekenntnis haben. Da mutet es nahezu absurd an, dass gerade viele Christen ihm ihre Stimme gegeben haben. So zeigt sich, dass der Missbrauch von Religion auch im Christentum Einzug gehalten hat. Leider geht dieser Missbrauch nicht selten mit Gewalt einher.

Gefährlich bei Trump ist seine Machtfülle. Was er damit anrichten kann, hat die vergangene Woche gezeigt: Verzweifelte Menschen auf Flughäfen, aufgrund ihrer Religion und Herkunft buchstäblich ausgegrenzt. Zum Glück gibt es viele Menschen, die gegen diese Diskriminierung auf die Straße gehen, die ein anderes Verständnis von Religion haben. Denn es sei auch hier grundsätzlich festgehalten: Mit dem Christentum lassen sich niemals und nirgendwo Menschen ausgrenzen, sei es auf Grund ihrer Religion, ihrer Hautfarbe, ihrer Sexualität. Selbstverständlichkeiten eigentlich, so habe ich es gedacht bis letzte Woche.

So gewinnen die Gedanken der Reformatoren traurige Aktualität: Sie haben Religionsfreiheit und Religionsmündigkeit vor 500 Jahren angestoßen und dafür gekämpft. So wie ihre Nachkommen sich nach wie vor dafür einsetzen. Freiheit und Verantwortung stehen im Zentrum der Feiern zum Reformationsjubiläum. Betont wird damit die Freiheit der Menschen von allen weltlichen Zwängen und Hierarchien. Maßstab ist das Gewissen und die Verantwortung gegenüber den christlichen Werten und der darin begründeten Menschenwürde. Daraus fließen die Menschenrechte. Freiheit und Verantwortung - beides wird in den USA derzeit mit Füßen getreten.

Und weil zuvor von des Präsidenten biblischem Lieblingsvers die Rede war: Auge um Auge - Zahn um Zahn. Jesus Christus hat diesen Satz aus dem Alten Testament (2 Mos 21,24) übrigens kommentiert: Im Matthäusevangelium heißt es dazu: Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar. Und wenn dich jemand eine Meile nötigt, so geh mit ihm zwei. Gib dem, der dich bittet, und wende dich nicht ab von dem, der etwas von dir borgen will.

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