Radiodoktor - Medizin und Gesundheit

Risiko steigt: Mehr als 70.000 Borreliosefälle pro Jahr

Borrelien, FSME & Co. - Erkrankungsrisiko höher als angenommen

Nicht nur Wanderer, sondern auch Zecken haben derzeit Hochsaison. Letztere lieben Menschenblut. Ihr Stich ist nicht nur lästig, sondern potenziell gefährlich.

70.000 Fälle pro Jahr

Borrelien sind die hierzulande am häufigsten auf den Menschen übertragenen Krankheitserreger. Allerdings wurde diese Gefahr bisher deutlich unterschätzt. Das ist eines der Ergebnisse einer aktuellen Studie des Hygieneinstituts der MedUni Wien. Darin wurde festgestellt, dass nicht wie früher berichtet 20 Prozent, sondern sogar 30 Prozent der Zecken mit Borrelien verseucht sind - also um ein Drittel mehr.
Das heißt im Klartext, dass jährlich in Österreich 70.000 Menschen an einer Borreliose erkranken! Wird diese nicht rechtzeitig erkannt, können schwere Erkrankungen wie Gelenksentzündungen, Entzündungen der Nervenwurzeln, der Hirnhäute und Befall des Herzens die Folge sein.

Früherkennung gefragt

Das Erythema migrans, auch Wanderröte, ist ein verlässliches Symptom für eine Borreliose. Dabei handelt es sich um rote, oft kreisförmige Flecken an der Einstichstelle, die bei etwa 80 Prozent der an Borreliose Erkrankten auftreten und sich innerhalb einiger Tage vergrößern können. Aufgrund der zu befürchtenden Folgeerkrankungen wird, wenn ein typisches Erythema migrans auftritt, sofort mit einer Antibiotikatherapie (Borrelien sind Bakterien) begonnen. Diese wirkt umso effizienter, je früher damit begonnen wird. Daher wird empfohlen, nach jedem Spaziergang in der Natur die Haut nach Zecken abzusuchen. Je früher diese entfernt werden, umso besser. Denn die Borrelien erreichen erst nach einigen Stunden aus dem Magen der Zecke die Einstichstelle.

Eine Pinzette genügt

Apropos Zeckenentfernung: Die Zecke sollte mit einer feinen Pinzette möglichst nah an der Haut gefasst und gerade herausgezogen werden. Häufig brechen dennoch die Mundwerkzeuge ab und bleiben in der Haut zurück. Diese sind jedoch völlig ungefährlich. Es stimmt tatsächlich, dass die Verwendung von Klebern, Ölen etc. völlig sinnlos ist.

Borrelienreiches Vorarlberg

Doch zurück zur Verbreitung. Zecken besiedeln mittlerweile weite Teile Europas - vom Süden bis hinauf in skandinavische Permafrost-Regionen. Nun findet man sie auch schon in Höhen von über 2.000 Metern. Die Rate der Borrelien-tragenden Zecken ist österreichweit sehr unterschiedlich. Laut der Wiener Studie wurden sie am häufigsten in Vorarlberg gefunden, am seltensten in Niederösterreich.

FSME - selten bis tödlich

Die Erkrankungszahlen durch FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis)-Viren sind seit Einführung der FSME-Impfung auf etwa ein Zehntel zurückgegangen. Diese Infektion ist wesentlich seltener als Borreliose. Der Verlauf kann allerdings mit Befall von Gehirn, Gehirnhäuten und Rückenmark schwer sein und auch - glücklicherweise sehr selten - mit dem Tod enden. Im Gegensatz zur Borreliose ist eine ursächliche Behandlung der FSME nicht möglich. Bei schwerem Krankheitsverlauf werden die Betroffenen auf neurologischen Stationen betreut. Es wird versucht den Zustand zu stabilisieren und Komplikationen zu verhindern. Jedoch steht - anders als bei der Borreliose - eben eine vorbeugende Impfung zur Verfügung.

Viele offene Fragen

Die Forscher des Wiener Hygieneinstituts wollen mit ihrer Studie noch eine Reihe weiterer offener Fragen beantworten. Zum Beispiel, wie viele der von Zecken gestochenen Personen tatsächlich an einer Borreliose erkranken und warum eben jene Menschen und andere nicht. Oder welche Tricks die Krankheitserreger anwenden, um sogar Organe befallen zu können.
Wer an einer Teilnahme interessiert ist und von einer Zecke gestochen wurde, kann sich mit gemeinsam mit Zecke (noch in der Haut oder schon in der Dose) ins Hygieneinstitut Wien begeben. (https://www.meduniwien.ac.at/hp/hai/).

Eine Sendung von Dr.in Michaela Steiner.
Moderation: Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Fragen:

Sind Sie schon einmal an FSME oder Borreliose erkrankt?
Welche Symptome hatten Sie?
Gehen Sie regelmäßig zur FSME-Impfung?
Wie entfernen Sie Zecken? Gibt es in Ihrer Gegend viele?

Ihre Meinungen und Erfahrungen interessieren uns. Rufen Sie uns kostenlos an unter 0800/22 69 79.

Service

Prim. Univ.-Doz. Dr. Christian Eggers F.E.B.N, Leiter der Abteilung für Neurologie, Konventhospital der Barmherzigen Brüder Linz
Univ.-Prof. Dr. Gerold Stanek, Stv. Leiter des Instituts für Hygiene und Angewandte, Immunologie des Zentrums für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie, Medizinische Universität Wien

Hygieneinstitut der MedUni Wien: Zeckenstich-Studie: TeilnehmerInnen gesucht
Hygieneinstitut der MedUni Wien: Fast jede zweite Zecke in Österreich ist mit Krankheitserregern infiziert
steiermark.orf.at: Zeckenjahr 2017: Steiermark ist Hotspot
Gesundheit.gv.at: Borreliose (Lyme-)
The Lancet Infectious Diseases: Topical azithromycin for the prevention of Lyme borreliosis: a randomised, placebo-controlled, phase 3 efficacy trial
derStandard.at: Zeckengenom entschlüsselt: Hinweise zur Bekämpfung der Lyme-Borreliose
SpringerMedizin.at: Die neun häufigsten Irrtümer über Lyme-Borreliose
Welt n24: Zeckenbiss - Die gefährlichen Folgen der Borreliose
Spiegel Online: Wie gefährlich ist Borreliose wirklich?
Gesundheit.gv.at: FSME-Krankheit (Frühsommer-Meningoenzephalitis)
derStandard.at: FSME: Immer mehr Österreicher verzichten auf Impfschutz
netdoktor.at: Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)

W. Kristoferitsch, "Neuropathien bei Lyme-Borreliose", Springer 2013

Norbert Satz, "Klinik der Lyme-Borreliose", Huber 2009

Birgit und Heinz Mehlhorn, "Zecken auf dem Vormarsch: Vorbeugung und Maßnahmen gegen Krankheitserreger", Düsseldorf University Press 2009

Sendereihe