Gedanken für den Tag
Johanna Schwanberg über Frida Kahlo
"Leidenschaft, Schmerz und Kunst" - Zum 110. Geburtstag der Malerin Frida Kahlo spricht die Direktorin des Dom Museum Wien, Johanna Schwanberg, über die Vermittlerin zwischen zwei Kulturen, die Fragen aufwarf, die heute aktueller denn je sind. - Gestaltung: Alexandra Mantler
8. Juli 2017, 06:56
Multikulturalität
Zwei gleich aussehende Frauen sitzen nebeneinander. Die eine trägt ein Hochzeitskleid im Kolonialstil, die andere eine mexikanische Tehuana-Tracht. Beide Frauen haben ein bloß gelegtes Herz, sind durch eine Ader miteinander verbunden und halten einander die Hände. Das Aderende im Schoß der europäischen Frau ist offen, sie versucht das rinnende Blut mit einer Verschlussklemme zu stoppen.
"Die zwei Fridas" entstand 1939 für die Internationale Surrealistenausstellung in Mexiko City und ist wohl das berühmteste Gemälde von Frida Kahlo. Das Bild wurde gerne autobiografisch gedeutet - es sei eine Reaktion auf ihre Trennung von Diego Rivera, so der einhellige Tenor. Eine Interpretation, die dadurch geschürt wurde, dass Kahlo das Bild an dem Tag vollendete, als sie die Scheidungspapiere erhielt.
Viel interessanter als die autobiografische Lesart ist aber die hier zum Ausdruck kommende Darstellung einer "Zwillingsidentität" - das Bild einer Frau zwischen zwei Kulturen. Frida Kahlo war als Tochter eines Deutschen und einer Mexikanerin stets zwischen Europa und Mexiko hin- und hergerissen. Dies äußerte sich in ihrer Kleidung, die mitunter europäisch, häufiger aber mexikanisch war. Als Zeichen der Solidarität mit Mexiko und seiner Geschichte schmückte sich Kahlo mit präkolumbischen Halsketten und Kleidern und stellte sich auch auf Bildern als Mexikanerin dar. In ihrer Malerei griff sie auf Stilelemente der europäischen Kunstgeschichte zurück, genauso ließ sich Kahlo aber von präkolumbischen Statuen inspirieren.
"Die zwei Fridas" ist ein wegweisendes Bild. Es zeigt, dass das Gefühl zwischen zwei Kulturkreisen zu sitzen, schmerzhaft und schwierig sein kann. Vor allem wenn eine der beiden Kulturen die andere zu dominieren versucht. Kahlos Werk demonstriert aber auch, dass das Leben in einem multikulturellen Umfeld ungemein bereichernd ist, dass sich eine unverkennbare Identität oft erst durch die Auseinandersetzung mit zwei ganz unterschiedlichen Kulturkreisen herausbildet.
Service
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Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Elliot Goldenthal/geb.1954
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Hernan Bravo Varela
Vorlage: Hayden Herrera
Gesamttitel: FRIDA / Original Filmmusik
Titel: Alcoba azul
Untertitel: MUSIC FROM THE MOTION PICTURE SOUNDTRACK
Solist/Solistin: Lila Downs /Gesang m.Begl.
Leitung: Stephen Mercurio
Ausführende: Filmensemble
Länge: 02:00 min
Label: DG/Universal Classics 4741502