Che Guevara auf eine Wand gemalt

AP/REBECCA BLACKWELL

Radiokolleg - Che Guevara

Che Guevara

Geburt eines Mythos (1). Gestaltung: Thomas Mießgang

Ein Bild von einem Mann: Das Gesicht mit feinen, fast aristokratischen Zügen, eingerahmt von einem gestutzen Bart und langen Haaren, der Kopf ist von einer Baskenmütze mit rotem Stern bedeckt. Ein träumerischer und gleichzeitig entschlossener Blick scheint weit über den Horizont des Menschlichen hinauszuweisen in ein Utopia der Möglichkeiten, das nur vom "dritten Auge" des Visionärs erkannt werden kann.

Es ist vor allem dieses Porträt des Ernesto Che Guevara, aufgenommen von dem kubanischen Fotografen Alberto Korda am 5. März 1960, das den argentinischen Revolutionär auch heute noch, 50 Jahre nach seinem Tod, zum globalen Symbol rebellischer Haltungen und Praktiken macht. Ches Konterfei ist auf Millionen von T-Shirts zu sehen und auf Tassen, Stickern, Zigarettenpackungen. Eine Schweizer Uhrenfirma erzeugte eine Che-Uhr und eine britische Bierfirma braute ein Che-Bier. Das Bild des "Jesus mit der Knarre", wie das der Liedermacher Wolf Biermann einmal ausgedrückt hat, gehört längst zum kulturellen Gedächtnis der Menschheit.

Und im Laufe dieses Transformationsprozesses mutierte der Mann, der das System stürzen wollte, zum Werbeträger für kapitalistische Produkte. "Der Revolutionär wurde zum Poster-Helden." schrieb der Spiegel im Jahr 1996. "Che ist der letzte Revolutionär mit dem sich Geld machen läßt".
Dabei war die Lebensbilanz des Kämpfers, der 1967 von einem Soldaten in dem bolivianischen Dorf La Higuera unter Beihilfe der CIA ermordet wurde, gar nicht so spektakulär: Zwar hatte Guevara eine entscheidende Rolle beim Sieg der kubanischen Revolution gespielt, doch spätere Guerillaaktionen in Afrika und Lateinamerika schlugen fehl.
Auch seine Leistungen als Nationalbankpräsident und als Industrieminister im Kuba Fidel Castros wurden durchaus kritisch beurteilt. Warum Che Guevara trotzdem zum "Rebel with a cause" für alle Zeiten und alle Fälle werden konnte, hat mit mehreren Faktoren zu tun: Da ist zum einen eine gut verwertbare männliche Attraktivität, andererseits die von Beginn an internationale Perspektive einer Revolutionstheorie, die in einem umfangreichen Schriftwerk festgehalten wurde und vor allem die 68er-Bewegung inspirierte.

Der Held des Widerstandes war eine integrale Figur, die sowohl romantische wie auch politische und anarchische Sehnsüchte bediente.
Der Tod des Menschen Che Guevara im Jahr 1967 bedeutete gleichzeitig die Geburt eines Mythos, der bis heute weiterwirkt. Emblematische Figuren wie der Rebell, der aus dem Süden kam, schrieb der Theoretiker Roland Barthes, werden ausgehöhlt, damit sie aufgefüllt werden können mit den Träumen, Sehnsüchten und Gelüsten derer, die sie bewundern: "Je länger die Verehrten tot sind, desto weniger wissen die Leute über sie, aber dennoch widersteht ihr Charisma auf geheimnisvolle Weise der Verwesung".

Sendereihe

Gestaltung

  • Thomas Mießgang