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Salzburger Nachtstudio
"Herr Lenin zweifelt nicht am Erfolge"
Von Otto Bauer bis zur "Reichspost":
So erlebten österreichische Zeitzeugen das russische Revolutionsjahr 1917
Von Günter Kaindlstorfer
4. Oktober 2017, 21:00
Hungerrevolten, Streiks und Demonstrationen: Im März 1917 fegte eine revolutionäre Massenbewegung das zaristische System in Russland innerhalb einiger weniger Tage hinweg, auch, weil sich Teile der Armee auf Seiten der Umstürzler schlugen.
Die sogenannte "Februarrevolution" in Petrograd und Moskau wurde auch in Österreich mit allergrößter Aufmerksamkeit verfolgt: "Heute ist einer der großen Tage der menschlichen Entwicklung anzumerken", vermeldete die "Neue Freie Presse" am 15. März 1917: "Die mächtigste Despotie, die jemals geschaffen worden ist, liegt am Boden".
Der Sturz der Romanows sorgte für einhelligen Jubel in Österreich-Ungarn. Das hatte weniger mit allfälligen demokratischen Sympathien der "kakanischen" Öffentlichkeit zu tun, als mit der Hoffnung, dass mit Russland einer der mächtigsten Kontrahenten der Habsburger-Monarchie aus der Phalanx der Weltkriegsgegner ausscheiden könnte.
Eine Hoffnung, die enttäuscht wurde: Die Provisorische Regierung, nach dem Sturz des Zaren an die Macht gekommen, setzte den opferreichen Krieg gegen Österreich-Ungarn und das Deutsche Kaiserreich noch ein dreiviertel Jahr lang fort.
Die Wiener Historikerin Verena Moritz, eine der profundestens Kennerinnen der russisch-sowjetischen Geschichte, hat in einem aufwändigen Forschungsprojekt österreichische Zeitzeugenstimmen zu den Ereignissen des Jahres 1917 gesammelt: Herausgekommen ist eine faszinierende Sammlung von Tagebucheintragungen, Briefen, Zeitungsberichten, diplomatischen Depeschen und anderem bisher unveröffentlichten Material. In Verena Moritz' eindrucksvoller Quellensammlung werden die Geschehnisse des Jahres 1917 - gewissermaßen im Cinemascopeformat - noch einmal lebendig. Ein historiografisches Ereignis.
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LITERATUR:
Verena Moritz: "1917 - Österreichische Stimmen zur Russischen Revolution", Residenz-Verlag, Salzburg, 288 Seiten