APA/dpa/Peter Endig
Gedanken für den Tag
Herbert Maurer über Morgenwünsche
"Guten Morgen". Der Schriftsteller und Übersetzer Herbert Maurer sinnt darüber nach, was die unterschiedlichen Arten in verschiedenen Sprachen, einander einen "guten Morgen" zu wünschen, beinhalten. - Gestaltung: Alexandra Mantler
10. Oktober 2017, 06:56
"Buon Giorno" - Guten Morgen: In Italien überspringt man - mit Mut - alles, was zu früh ist oder an das zu früh Kommen erinnert (Mattina, wo ist sie? - Santa Mattina? Wer hat sie schon gesehen?). Das Zwiegespräch mit Signora Mattina findet vielleicht zu Hause mit geschlossenen Augen vor dem Spiegel statt oder hätte stattfinden sollen. Aber: Wer will sich schon, wer kann sich schon in den Spiegel schauen mit einer Nacht im Kopf?
Mit "Buon Giorno" haben wir auf Italienisch Signora Mattina, den Morgen, hinter uns gelassen. An die Schwärze der Nacht, an das kleine Schwarze oder die Schwärze der Tinte oder die schwarze Krawatte nach dem Begräbnis des Erbonkels erinnert nur der kleine Schwarze, dieser eine heiße Schluck vor dem Sprung in den Tag. Der Tag, so wünschen sich doch alle, soll genau das Gegenteil sein von schwarz. Der Tag, so wünschen sich nicht nur die Italiener, soll auf der Zunge brennen und auch das toteste aller toten Herzen wieder zum Schlagen bringen. Der gute Tag soll am Puls der Zeit gelebt werden, einer Zeit, die alle Farben haben darf, nur nicht schwarz.
Vielleicht, nach dem zweiten oder dritten Macciato, erwacht dann auch Signora Mattina, während Signore Giorno längst in seinen Tag eingetaucht ist und weiter schwimmt, von einer Stunde zur anderen. Immer weiter weg von jener Signora Mattina, die im Schatten des Signore Giorno verblasst oder sich im hellen Wasser des Tages, in dem er schon längst weiter geschwommen ist, nach und nach auflöst . um zuerst grau und dann weiß zu werden.
So weiß wie die Milch, die Signore Giorno dann wieder braucht, um seinen Kaffee zu Mittag in der Sonne immer heller werden zu lassen. So, als hätte es eine Nacht nie gegeben, so als wäre Mattina, mitten im Tag, immer noch da, als weißer Schatten auf der Zunge. Beiden, der Signora Mattina und dem Signore Giorno, bleibt der Mut, einander zu überspringen oder ineinander hinein zu springen.
Service
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Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Adriano Celentano
Album: ADRIANO CELENTANO
Titel: Yuppi du (00:04:14)
Solist/Solistin: Adriano Celentano /Gesang m.Begl.
Länge: 04:14 min
Label: Ariola 610357