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Radiokolleg - Falsche Haare
Zur Kulturgeschichte der Perücke (4). Gestaltung: Renate Pliem
30. November 2017, 09:30
Sie thronte auf den Häuptern von Königen, schmückte Philosophen, Literaten und Komponisten: Die Perücke war lange Zeit ein unverzichtbares Accessoire des gehobenen Standes. Welches Bild hätten wir von Johann Sebastian Bach ohne seine "Haarpracht aus zweiter Hand"? Wie würde ein Porträt von Georg Friedrich Händel aussehen?
Ihre Hochblüte hatte die Perücke im 17. und 18. Jahrhundert.
Um seine Kahlköpfigkeit zu kaschieren, trug der Sonnenkönig Ludwig XIV. die Allongeperücke mit langen Locken, die bis über die Schulter reichte. Der gesamte Hofstaat tat es ihm gleich. Die Französische Revolution brachte die Wende: Alte Zöpfe und falsche Haare waren ein Zeichen der Rückständigkeit.
Die Zunft der Perückenmacher/innen überlebte in Nischen: Heute wird diese Kunstfertigkeit im Theater und beim Film geschätzt. Aber auch aus religiösen Gründen wird heute noch das eigene Haar verborgen: Strenggläubige Jüdinnen tragen den sogenannten "Scheitel".
Auch medizinische Gründe können einen Haarersatz erfordern: Wenn bei einer Chemotherapie die Haare büschelweise ausfallen, gibt es eine (Kunsthaar-)Perücke auf Krankenschein.
Echthaar ist mittlerweile zu einem sehr teuren "Rohstoff" geworden. Die Nachfrage nach Extensions und anderen Haarteilen ließ die Preise in die Höhe schnellen. China und Indien sind die größten Exporteure. Hindu-Pilger/innen opfern nach einem Gelübde oder vor einem neuen Lebensabschnitt ihre Haarpracht, die von den Tempeln gewinnbringend weiterverkauft wird.
Service
BUCH:
Luigi Amara: Die Perücke.
Aus dem Spanischen von Peter Kultzen.
Berenberg Verlag 2017