Zwischenruf
Michael Bünker über den Adventkranz
"Der Adventkranz" - Hoffnungsträger für Kinder. Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker erzählt vom ersten Adventkranz und seine auch heute aktuelle Bedeutung als Hoffnungsträger. - Gestaltung: Martin Gross
3. Dezember 2017, 06:55
Heute ist es wieder soweit: Die erste Kerze am Adventkranz wird entzündet. In vielen Wohnungen und Häusern ist das schon Tradition. Der grüne Kranz mit seinen vier Kerzen, jeweils eine für jeden der vier Adventsonntage.
Was nicht alle wissen werden: Der Adventkranz ist eine evangelische Erfindung, die aus Hamburg auch zu uns nach Österreich gekommen ist. Es war im Jahr 1839. Der evangelische Pfarrer Johann Hinrich Wichern lebte in einem ehemaligen Bauernhof bei Hamburg mit Kindern und Jugendlichen zusammen, die sonst auf der Straße leben müssten. Die Armut war in der Zeit der Industrialisierung gerade in den Städten ein großes Problem. Wichern hatte sich entschlossen, etwas dagegen zu unternehmen. Für die Kinder, die zwölf Stunden am Tag arbeiten mussten, für die, die kein Zuhause hatten und auf der Straße lebten, für Mädchen, die zur Prostitution gezwungen waren. Ich kümmere mich um Kinder "mit den schlechtesten Zeugnissen", sagte Wichern. Er wurde zum Gründer der evangelischen Diakonie.
Wie alle Kinder waren auch die, die er aufgenommen hat, ungeduldig, wenn es auf Weihnachten zuging. Wann ist es denn endlich soweit? Wie viele Tage noch? Da hatte Wichern eine wunderbare Idee: Um den Kindern die Wartezeit zu verkürzen nahm er ein großes Wagenrad und stellte für jeden Tag des Advent eine Kerze drauf. Für die Wochentage eine rote und für die vier Sonntage eine weiße. Das war der erste Adventkranz. Er wurde gleich in viele Kirchen und Häusern aufgenommen. In den 1920er Jahren kam er auch nach Österreich, jetzt in der uns gewohnten Form mit den vier Kerzen für die Sonntage.
Vor einigen Jahren hat die Diakonie den ursprünglichen Diakonieadventkranz wiederbelebt. Er ist heute in großer Ausführung in fünf Landeshauptstädten zu sehen. Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens werden besucht und bekommen einen solchen Adventkranz. Ich konnte selbst dabei sein, wie der Wichernadventkranz in der Wiener Hofburg Bundespräsident Alexander Van der Bellen überreicht wurde. Dabei haben uns Kinder begleitet. Da war einmal ein Chor von Schülerinnen und Schülern der evangelischen Schule am Karlsplatz und dann die beiden Jugendlichen, die den Adventkranz gebunden und mit den Kerzen geschmückt haben. Diese beiden Jugendlichen sind Schüler der IFIT Schule der Diakonie. IFIT steht für Inklusive Fachspezifische Schule für Individualisierte Teilausbildungen. Dort können Jugendliche, die aus verschiedensten Gründen im regulären Schul- und Ausbildungssystem nicht Fuß fassen konnten und daher von Ausgrenzung gefährdet sind, für verschiedene Berufsfelder Qualifizierungen erwerben. Eines der Berufsfelder ist die Landwirtschaft mit verschiedenen Schwerpunkten. Adventkranzbinden gehört dazu. Tausende von ihnen werden von Jugendlichen hergestellt, die in Einrichtungen der Diakonie gefördert und begleitet werden.
Der Adventkranz - ein Hoffnungsträger! In Österreich leben nach verschiedenen Erhebungen mehr als dreihunderttausend Kinder in Verhältnissen, die von Armut bedroht sind. Normalerweise bleiben sie unsichtbar, die Medien berichten zu wenig über sie, zu wenig über ihre Probleme und auch zu wenig über ihre besonderen Begabungen, die sie einbringen können, wenn sie entsprechend gefördert werden. Für sie leuchten die Kerzen am Adventkranz, ganz egal, woher sie kommen. Ihnen Hoffnung zu geben, eine Zukunft zu eröffnen, gehört zur evangelischen Verantwortung.
Der Adventkranz - ein Hoffnungsträger, gerade für Kinder und Jugendliche. Das Warten auf Weihnachten ist auch ein Warten auf Verhältnisse, in denen Kinder und Jugendliche in Sicherheit leben und sich entfalten können. Sie haben ein Recht darauf. Daran will ich denken, wenn ich heute die erste Kerze entzünde.
Sendereihe
Gestaltung
- Martin Gross