Zwischenruf
Gisela Ebmer gegen Aufrüstung
"Gegen die Aufrüstung". Für ein friedliches Europa ohne EU-Armee spricht sich die evangelisch-reformierte Theologin und Religionslehrerin Gisela Ebmer aus Wien aus. - Gestaltung: Martin Gross
10. Dezember 2017, 06:55
Im Religionsunterricht fragen mich die Unterstufenkinder in der letzten Zeit immer wieder: "Frau Professor, glauben Sie, dass es einen 3. Weltkrieg geben wird?" Sie bekommen die Drohungen mit aus Nordkorea und aus den USA und fragen sich, ob das auch uns in Österreich betrifft. Ich beruhige sie immer und sage ihnen, dass wir in Mitteleuropa schon lange keinen Krieg mehr hatten, weil wir alle gelernt haben, Konflikte auch ohne Gewalt zu lösen. Wir haben verhandeln gelernt, und außerdem ist Österreich neutral und beteiligt sich an keinem Krieg. Das war auch immer meine große Hoffnung als Kind, wenn meine Eltern vom Krieg erzählten. Im 2. Weltkrieg war Österreich noch nicht neutral, aber heute brauchen wir uns nicht mehr fürchten, so dachte ich immer.
Umso mehr bin ich erschrocken, wie ich gehört habe, dass unser Außenminister vor ein paar Wochen die Teilnahmebedingungen für eine sogenannte ständige strukturierte Zusammenarbeit in Europa unterschrieben hat, die ein militärisches Kerneuropa zum Ziel hat. Die Mitglieder dieses Bündnisses verpflichten sich unter anderem zu einem regelmäßigen Anstieg ihrer Verteidigungsbudgets und sind bereit, wesentliche Unterstützung in Form von Truppen und Material für EU-Auslandseinsätze bereitzustellen. Die deutsche Verteidigungsministerin hat bei der Unterzeichnung offen ausgesprochen, dass dies ein weiterer Schritt in Richtung der Armee der Europäer sei. Österreich könnte also doch wieder Teil einer großen Armee sein, nicht mehr selbstständig und neutral?
Schon im Februar dieses Jahres wurde aus den Reihen der österreichischen Politik die Forderung laut, eine EU-Armee einzurichten, um Europa unabhängiger von der US-dominierten NATO zu machen. Auch Atomwaffen sollten selbstverständlich Teil dieser EU-Armee sein.
Als Christin weiß ich, dass Jesus nicht nur die zwei Wege Kampf oder Flucht gekannt hat, nicht nur das Zurückschlagen oder das Klein Beigeben. Wenn dir jemand auf die rechte Backe schlägt, dann halte ihm auch die andere hin. Das heißt nicht, gib auf, entschuldige dich, schenke alles her. Nein, das heißt, bleib bei dem, was dir wichtig ist, steh zu deinen Werten UND schlage nicht zurück. Du riskierst damit zwar, dass du noch einmal geschlagen wirst, aber dein Gegner wird dich plötzlich in einem anderen Licht sehen. Du steigst aus der Opfer-Rolle aus. Du übernimmst die moralische Initiative. Und deine Initiative zeigt, dass es darum geht, dich selbst, deine Gegner und die Sache gleichermaßen ernstzunehmen.
Das ist der sogenannte dritte Weg Jesu, den man zwar mühsam lernen muss, der aber die einzige legitime Möglichkeit ist, Konflikte zu lösen. Die Kirchen haben längst erkannt, dass es keinen gerechten Krieg gibt, man kann immer Feindbilder hervorrufen und dann behaupten, ein militärischer Einsatz diene ja nur zur Verteidigung. Krieg ist und bleibt eine zutiefst unmenschliche Sache. Krieg soll um Gottes Willen nicht sein, so formulierte es der Ökumenische Rat der Kirchen in seiner Gründungsversammlung 1948. Und der evangelische Bischof Michael Bünker erklärt, dass sich in der Ökumene längst die Überzeugung durchgesetzt habe, dass schon die Herstellung und Stationierung - und nicht erst der Einsatz - atomarer Massenvernichtungswaffen ein Verbrechen gegen die Menschheit darstellt. Es gebe keinen gerechten Krieg, aber ein Konzept eines gerechten Friedens. Das muss unser Ziel in Europa sein, so denke ich und so hoffe ich. Ein neutrales Österreich, das keinem Militärbündnis angehört, kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten.
Sendereihe
Gestaltung
- Martin Gross