Ein Raum im Kunsthistorischen Museum wird von der Meeresflut überschwemmt.

HELMUT WIMMER

Leporello

Natur im Paradigmenwechsel

Ganymed Nature im KHM

Natur und Kunst - zwei Welten treffen an einem Ort aufeinander. Am Mittwoch stellten Jacqueline Kornmüller und Peter Wolf ihr jüngstes Projekt vor. Es heißt "ganymed nature", die Natur hält darin Einzug in den Hort der Kunst - bzw. umgekehrt: Schon eingangs, in der Begleit-Ausstellung "The Last Day" des Fotografen und Filmemachers Helmut Wimmer, ist zu sehen, wie Meereswogen und Schlamm, Wüste und wilde Felsen-Klüfte in den Bassano-Saal des altehrwürdigen Museums einbrechen.
Die Gedankenräume, die Jacqueline Kornmüller und Peter Wolf durch ihre Arbeiten öffnen wollen, lenken den Blick stets zu sogenannten Paradigmenwechsel: War beim vorangegangenen "ganymed female"-Projekt die epochale Veränderung des Geschlechter-Verhältnisses zentrales Thema, soll dies nun die Beziehung Mensch-Natur sein. Musiker wie Karlheinz Essl oder die Strottern, Schriftstellerinnen und Schriftsteller wie Martin Pollack, Franz Schuh, Milena Michiko Flasar oder Eva Menasse haben sich im Wiener Kunsthistorischen Museum von Gemälden mit Natursujets inspirieren lassen und diese in der Sprache ihrer Kunst kommentiert.

Steht man vor dem Gemälde "Die Gewitterlandschaft" von Rubens, kann man zugleich einer Geschichte des Komponisten und Klangkünstlers Karlheinz Essl lauschen. Dessen musikalische Erzählung beginnt mit einem Gewitter und endet mit einem Regenbogen - als gäbe es ein versöhnliches Happy End der Beziehung Mensch-Natur.

Die Natur ist künstlerische Inspirationsquelle, romantische Kulisse - und bekanntlich wird sie vom Menschen seit jeher gequält. Der Schriftsteller David Foster Wallace sollte einst für eine Gourmetzeitschrift einen Bericht von einem Hummerfestival verfassen. Der Text entsprach jedoch nicht ganz dem Auftrag: er ist voller Mitgefühl für das lebend ins kochende Wasser geworfene Tier. Jacqueline Kornmüller und Peter Wolf haben im KHM Wallace' sarkastischem Essay das Bild "Großer Fischmarkt" von Joachim von Sandrart zugeordnet. Peter Wolf performt dazu.

Eine weitere Station führt zu Martin Pollacks Text "Lustvolles Graben". Dieser bezieht sich auf Nazi-Reliquien, die Pollack zufällig in der Erde seines Gartens gefunden hat. Der Text ist der "Allegorie der Vergänglichkeit" von Antonio de Pereda y Salgado gegenübergestellt. Und auch die Bilder des Fotografen Helmut Wimmer sind politisch zu verstehen. Seine Fotos mit den - bloß digital beigefügten - Naturgewalten zeigen Museumsbesucher, wie sie mit den Füßen im Wasser vor den Gemälden stehen oder zerstreut über ihre Smartphones wischen. Ein Verweis auf die Ignoranz der Menschen angesichts von Katastrophen, so Fotograf Wimmer.

Kunst und Natur sollten im Glücksfall etwas Bleibendes sein. So wollen es die Dichter, und so wäre es auch wünschenswert für die Erdbevölkerung. Auch Peter Wolf und Jacqueline Kornmüller haben sich mit der Frage der Nachwelt auseinandergesetzt. Weit wichtiger als das Danach wäre allerdings das Jetzt, lautet ihr Schluss.- Gestaltung: Christa Eder

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Ganymed Nature
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