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Radiokolleg Spezial - "Anschluss" 1938
Stationen einer Machtübernahme. Mit Beiträgen von Günter Kaindlstorfer, Tanja Malle, Marlene Nowotny, Uli Jürgens und Wolfgang Ritschl
12. März 2018, 09:05
Station 1: Die Grenzüberschreitung. Über die Machtergreifung der Nationalsozialisten.
Unter dem Decknamen "Unternehmen Otto" lässt Adolf Hitler am 12. März 1938 Soldaten der Deutschen Wehrmacht in Österreich einmarschieren. Ab 9.00 Uhr früh überschreiten 65.000 teils schwer bewaffnete Männer die Grenze zwischen dem Deutschen Reich und Österreich, eine Grenze, die einen Tag später für viele Jahre Geschichte werden wird. Marlene Nowotny berichtet über die ersten Minuten der Vereinigung der beiden Länder.
Während im Westen Österreichs deutsche Soldaten nicht auf Widerstand, sondern auf Willkommensrufe treffen, beginnt eine gewaltige Verhaftungswelle anzulaufen. Die Grundlage dafür bildet die sogenannte "Schober-Kartei", ein Aktenbestand der österreichischen Polizei, der eine Namensliste der sozialdemokratischen Aktivist/innen enthält. Nicht nur sie, auch Jüdinnen und Juden, sowie andere politische Gegner/innen bekommen die Machtübernahme der Nationalsozialisten unvermittelt und schmerzhaft zu spüren. Diese erste Verfolgungsaktion zeichnet Tanja Malle nach.
Die Nationalsozialisten wähnen sich an einem wichtigen Etappenziel, war die österreichische NS-Bewegung doch im Juni 1933 nach einer Serie von Sprengstoffanschlägen verboten worden. Historiker/innen bemühen sich bis dato darum, die tatsächliche Zahl der von 1933 bis 1938 in der Illegalität tätigen Nazis zu rekonstruieren, in einer noch in Aufbau befindlichen Datenbank des Historikers Hans Schafranek sind bisher rund 15.000 Namen von illegalen Nazis registriert, berichtet Günter Kaindlstorfer. Fest steht: Die Steiermark war eine Hochburg der illegalen NS-Bewegung, außerdem waren viele NS-Sympathisanten nach Deutschland emigriert und kehrten nach der Machtübernahme der Nazis in Österreich in ihre Heimat zurück.
Wie groß die Unterstützung und Begeisterung für die Nationalsozialisten innerhalb der Bevölkerung ist, zeigt sich am 15. März 1938. Am Wiener Heldenplatz jubeln in etwa 200.000 Menschen Adolf Hitler zu. Das Bild wird in die Geschichte eingehen. Welche Bilder wir von der Machtübernahme der Nazis kennen und welche nicht, darüber sprechen die beiden Bildarchivare der Österreichischen Nationalbibliothek Hans Petschar und Michaela Pfundner mit Wolfgang Ritschl.
Uli Jürgens hat recherchiert welche Musik im österreichischen Radio eigentlich hätte laufen sollen. Doch der Rundfunk wurde sofort nach dem Einmarsch von den Nazis besetzt und das Programm geändert. Das Radiokolleg bringt jene Musik zu Gehör, für die in Österreich kein Platz mehr war, wie zb. die Lieder von Herman Leopoldi, der bereits im Mai 1938 ins KZ Dachau deportiert wurde.
Moderation: Wolfgang Ritschl
Redaktion: Tanja Malle und Ina Zwerger
Service
LITERATUR:
Kurt Bauer: "Die dunklen Jahre. Politik und Alltag im nationalsozialistischen Österreich 1938 -1945", Fischer Verlag
Gerhard Botz: "Nationalsozialismus in Wien. Machtübernahme, Herrschaftssicherung, Radikalisierung, Kriegsvorbereitung. 1938/39", Mandelbaum Verlag
Manfred Flügge: "Stadt ohne Seele. Wien 1938", Aufbau Verlag
Herbert Dohmen und Nina Scholz: "Denunziert", Czernin Verlag
Winfried Garscha, Heinz Arnberger, Christa Mittrrutzner: "Anschluss 1938. Eine Dokumentation", Österreichischer Bundesverlag 1988
Gerhard Jelinek: "Es gab nie einen schöneren März: 1938", Amalthea Verlag
Stefan Karner: "Die umkämpfte Republik", Studien Verlag
Walter Kohl: "Die dunklen Seiten des Planeten: Rudi Gelbard, der Kämpfer", Verlag Franz Steinmaßl
Claudia Kuretsidis-Haider "Österreichische Pensionen für jüdische Vertriebene. Die Rechtsanwaltskanzlei Ebner: Akteure Netzwerke Alte, DÖW
Mathias Lichtenwagner: "Belasteter Beton. Formen der Erinnerung an Orten der NS-Militärjustiz in Wien. In: Juliane Alton et al: "Verliehen für die Flucht vor den Fahnen" Das Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz in Wien, Wallstein Verlag
Maximilian Liebmann: ""Heil Hitler" - Pastoral bedingt", Böhlau Verlag
Ursula Mindler-Steiner "Die jüdische Bevölkerung besitzt wie bekannt großes Anpassungsvermögen...". Juden und Jüdinnen von Oberwart/Felsöör und ihre gesellschaftlich-kulturellen Verortungen. In: Martin Przybilski / Carsten Schapkow (Hgg.), Konversion in Räumen jüdischer Geschichte (= Trierer Beiträge zu den historischen Kulturwissenschaften Bd. 11). Wiesbaden 2014
Wolfgang Neugebauer, Thomas Mang, Elisabeth Boeckl-Klaper: "Gestapo Leitstelle Wien 1938 - 1945", Edition Steinbauer (erscheint im Mai 2018)
Hans Petschar: "Anschluss. Eine Bildchronologie", Brandstätter Verlag
Oliver Rathkolb: "Die paradoxe Republik: Österreich 1945 bis 2015", Zsolnay Verlag
Manfried Rauchensteiner: "Unter Beobachtung. Österreich seit 1918", Böhlau Verlag
Horst Schreiber (Hg.): "1938 - Der Anschluss in den Bezirken Tirols", Studien Verlag
Hans Schafranek: "Widerstand und Verrat", Czernin Verlag
Hans Schafranek und Herbert Blatnik: "Vom NS-Verbot zum Anschluss - Steierische Nationalsozialisten 1933-1938", Czernin Verlag
Holger Scheaeben: Am Nachmittag kommt der Führer. Schicksalsjahr 1938, Theiss Verlag
Emmerich Talos / Florian Wenninger: "Das austrofaschistische Österreich 1933 - 1938", LIT Verlag
Heidemarie Uhl: "Vom Opfermythos zur Mitverantwortungsthese. Transformationen des "österreichischen Gedächtnisses", in: Monika Flacke (Hg.), Mythen der Nationen. 1945 - Arena der Erinnerungen", Deutsches Historisches Museum Berlin (Ausstellungskatalog)
Peter Pirker: "Subversion deutscher Herrschaft. Der britische Kriegsgeheimdienst SOE und Österreich", Vienna University Press
Harald Wendelin und Verena Pawlowsky: "Arisierte Wirtschaft", Mandelbaum Verlag
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