(Keine) Abschiede

25. April 2018, 14:05

Keine Abschiede

Der in St. Petersburg 1979 (damals noch Leningrad) geborene Wassili Petrenko ist Chefdirigent des Royal Liverpool Philharmonic Orchestra. 2006 erhielt er einen Vertrag als "Dirigent" für zunächst drei Jahre, bevor er zum Chefdirigenten befördert wurde. 2013 beschlossen Orchester und Dirigent, die künstlerisch und finanziell enorm erfolgreiche Zusammenarbeit auf unbestimmte Zeit zu verlängern. Sollte er das Orchester verlassen wollen, wird er dem Orchester drei Jahre Zeit geben, sich um seine Nachfolge zu kümmern.
Seit 2013/14 bekleidet Petrenko, der mit seinem fünf Jahre älteren, aus Omsk stammenden Namensvetter Kirill Petrenko nicht verwandt ist, auch die Chefposition beim Philharmonischen Orchester Oslo. Unmittelbar vor Antritt dieser Stelle gab er der norwegischen Zeitung "Aftenposten" ein Interview. Warum recht wenig Frauen als Chefdirigentinnen verpflichtet würden? Seine Antwort: Er sah einen Grund in der "oft geringeren sexuelle Energie" von Männern, die "sich daher besser auf die Musik konzentrieren" könnten. Ein "süßes Mädel am Podium" könne zudem die Gedanken männlicher Musiker "auf andere Dinge schweifen lassen." Rücktrittsaufforderungen wurden von keinem seiner Orchester unterstützt. Mildernde Umstände wurden geltend gemacht: Das Interview sei auf Englisch, nicht Norwegisch, geführt worden; er habe die Atmosphäre in seiner Heimat Russland beschrieben; er würde jedes talentierte Mädchen ermutigen, Dirigentin zu werden; seine Ehefrau Evgenia Chernysheva-Petrenko sei selbst Dirigentin. Sein Vertrag in Oslo wurde nach knapp zwei Jahren bis 2020 verlängert.


Drei Abschiede

Abschied war im Abonnementkonzert im 1977 eröffneten Oslo Konserthus nur musikalisch ein Thema: Haydns - von ihm nicht so genannte "Abschiedssymphonie" - und die von Richard Strauss im Alter von 25 Jahren vollendete Tondichtung "Tod und Verklärung" bzw. dessen "Vier Letzten Lieder". Diese Lieder schrieb Straus im Alter von 84 Jahren auf Gedichte von Hermann Hesse und Joseph von Eichendorff. Sie wurden 1950, ein Jahr nach dem Ableben des Komponisten, uraufgeführt. Weder der Titel noch die in Aufführungen meist übliche Abfolge stammen vom Komponisten. Als erstes dieser Orchesterlieder vollendete Strauss das "Im Abendrot", mit dem die norwegische Sopranistin Kirstin Flagstad die Uraufführung in London beendete. Nachdem die "hohe Singstimme" die Verszeile "Ist dies etwa der Tod?" intoniert hat, zitiert Strauss aus seiner 60 Jahre zuvor entstandenen Tondichtung "Tod und Verklärung", leicht modifiziert, das Verklärungsmotiv.


Kein Abschied für Haydn

Für das Oslo Philharmonic hat sich Petrenko viel Haydn viel frühen Mozart vorgenommen. Haydns Musik, sagt Petrenko, wird heute von den großen Symphonieorchestern selten gespielt. Haydns Orchestermusikmusik ist fürs Orchester recht schwierig - weil sie wie Kammermusik komponiert ist. Man hört jede Note, jeder und jede muss wissen, was er oder sie spielt und was die anderen spielen. Es muss gemeinsam phrasiert und artikuliert und an den Details gearbeitet werden. Der Dirigent, oder die Dirigentin, und das Orchester müssten sehr genau an der Balance arbeiten, an der Dynamik, wer laut, wer leise spielt, das ist grundlegend; in welche Richtung geht die Melodie. Haydn sei eine gute Schule fürs Orchester. Haydn und Mozart sind gut fürs Gefühl - und es ist einfach großartige Musik. In auf Englisch geführten Gesprächen achtet Petrenko mittlerweil penibel aufs Gendern.

Sendereihe

• Das Ö1 Konzert

Gestaltung

• Peter Kislinger