Zwischenruf

Olivier Dantine über die Datenschutzgrundverordnung

Der evangelisch-lutherische Superintendent der Diözese Salzburg/Tirol macht sich Gedanken über das Sammeln von Daten und zieht Parallelen zu den 10 Geboten in der Bibel. - Gestaltung: Martin Gross

Nun sind sie seit zwei Tagen endgültig in Kraft, die Datenschutzgrundverordnung der Europäischen Union und das österreichische Datenschutz-Anpassungsgesetz. Monatelang war dies ein großes Thema in vielen Firmen, Organisationen, Vereinen.

Für viele ist es ein lästiges Thema: Kunden wurden in den letzten Wochen regelrecht mit Datenschutzerklärungen bombardiert, so aber haben viele erst registriert, wer alles ihre Daten hat. Bei mir ist es etwa ein Themenpark, den ich vor Jahren mit der Familie im Urlaub besucht habe: Jetzt erinnere ich mich, dass ich die Karten im Voraus online gekauft habe, weil es so praktisch war und die Wartezeit beim Eingang verkürzen half. Oder das große Möbelhaus, wo mir die Kundenkarte aufgeschwatzt wurde, durch die ich ein Mal 50 Euro gespart habe. Es ist schon unheimlich zu bemerken, dass die eigenen Daten auf der ganzen Welt verteilt sind und ich den Überblick darüber verloren habe.

Auf der anderen Seite stellen die Maßnahmen, die getroffen werden mussten und noch müssen, viele vor große Herausforderungen und auch Kosten. Gerade in kleinen und mittleren Unternehmen, in Vereinen, aber auch in Kirchen, haben viele das Gefühl, dass die neuen Regelungen vor allem sie selbst treffen. Für die großen Player hingegen, die mit den Daten ihrer Kunden viel Geld machen, sei das ganze nur ein Klacks, vor allem mit den Entschärfungen, die in Österreich in letzter Minute noch in das Gesetz eingebaut wurden. Die Berichterstattung über so manche Datenskandale in den letzten Wochen und Monaten lässt mich hoffen, dass auch bei den sehr großen Unternehmen immer genauer hingeschaut wird. Der unheimliche Eindruck aber, nie genau zu wissen, was mit den eigenen Daten passiert, lässt sich nicht abstellen.

Das Thema Datenschutz ist zwar erst mit den modernen Möglichkeiten der elektronischen Sammlung enorm vieler Daten groß geworden. Das Thema des Datensammelns und die Kritik daran, die ist durchaus viel älter. Es waren große Imperien, die möglichst viel über ihre Einwohner wissen wollten. Sei es um die Einnahmen aus den nicht selten sehr bedrückenden Steuerpflichten zu berechnen, sei es, um einen Überblick über die wehrfähigen Männer zu haben, damit sie ihre Eroberungszüge planen konnten.

Auch die Bibel reflektiert dieses Thema. Berühmt sind etwa die Steuerlisten von Kaiser Augustus, aufgrund derer sich die hochschwangere Maria mit Josef auf den beschwerlichen Weg nach Bethlehem machen musste. Im Ersten oder Alten Testament wird Mose von Gott ausdrücklich aufgefordert, das Volk zu zählen. Als König David aber ohne göttliche Anordnung das Volk zählen lässt, wird von Gottes Zorn darüber erzählt: Gott setzt den Eroberungsgelüsten Davids einen Riegel vor.

Es ist aber eine andere Bibelstelle, die, wie ich finde, die aktuelle Diskussion um den Datenschutz besser trifft. Auf den ersten Blick ist das vielleicht überraschend. Es ist das Bilderverbot in den 10 Geboten. Es geht bei diesem Bilderverbot nicht nur um Bildnisse von Gott: "Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist."

Ich sehe darin nicht das grundsätzliche Verbot von Bildern, sondern die Warnung davor, Gott auf das Bild festzulegen, das ich mir von ihm mache. Gott ist weitaus größer als die Vorstellung von ihm. Das Bilderverbot sagt daher auch: Ich soll Gott nicht für meine Interessen instrumentalisieren. So verstanden gilt das Bilderverbot auch für den Menschen als Gottes Ebenbild. Mein Gegenüber, und sei er oder sie auch noch so vertraut, ist immer mehr als das, was ich von ihm oder ihr halte. Wenn ich nicht respektiere, dass es vieles im Menschen gibt, zu dem ich keinen Zugang habe, wenn ich also die Intimsphäre nicht achte, respektiere ich den ganzen Menschen nicht mehr.

Daher ist der Widerspruch dagegen, dass der Mensch zunehmend zum "gläsernen Menschen" wird, sehr berechtigt. Gerade die Datenskandale der letzten Zeit zeigen, dass der "gläserne Mensch" droht, für wirtschaftliche oder politische Interessen instrumentalisiert zu werden. Wenn die Datenschutzregelungen das verhindern können, dann bin ich gerne bereit, auch das Lästige daran in Kauf zu nehmen.

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