Medizin und Gesundheit
Die Zukunft der Pflege
Gesund und glücklich alt werden
30. August 2018, 16:05
In zwei Phasen seines Lebens ist jeder Mensch besonders bedürftig: Am Beginn und dann wieder im Alter, wenn die Kraft schwindet, sowohl die des Körpers als auch die des Geistes. Da in unserer Gesellschaft immer mehr Menschen sehr alt werden, ist es eine wesentliche Aufgabe uns gut um unsere Großmütter und Großväter, Mütter und Väter zu kümmern. 80 Prozent der alten Menschen werden in Österreich von ihren Angehörigen, meistens Frauen, betreut oder gepflegt. Eine äußerst anstrengende Tätigkeit, die viele überfordert und selbst krank werden lässt. Um dies zu verhindern gibt es in Österreich verschiedene Unterstützungen, zum Beispiel Pflegewohnhäuser, die 24-Stunden-Betreuung oder die Heimhilfen.
Die mobilen Pflegestrukturen müssen allerdings noch stärker ausgebaut werden, um individuellen Bedürfnissen gerecht werden zu können.
Wir stehen nun an der Schwelle zu einer neuen Herausforderung. Denn die geburtenstarken Jahrgänge zwischen 1955 und 1965 erreichen peu a peu das Pensionsalter. Und 20 Jahre später jenen Lebensabschnitt, in dem viele Menschen Betreuung und Pflege benötigen. In den kommenden fünf bis zehn Jahren müssen jene Maßnahmen umgesetzt werden, die dann in zwei bis drei Jahrzehnten die Betreuung der "Babyboomer" sicherstellen. Oder eben nicht.
In Österreich und in vielen anderen Staaten trägt nicht das einzelne Individuum das Risiko pflegebedürftig zu werden, sondern bisher besteht der Konsens, dass Staat und Gesellschaft die Finanzierung und nötigen Strukturen für die Betreuung bereitstellen.
Manche - so wie die skandinavischen Länder - machen das vorbildhaft. Andere - so wie Österreich - geben sich echt Mühe.
Es gibt hierzulande seit 1993 das Pflegegeld. Derzeit stellen der Bund 2,5 Milliarden und die Länder etwa 2 Milliarden Euro jährlich zur Verfügung. Die betreuenden und pflegenden Haushalte bringen etwa 3,6 Milliarden ein.
In den kommenden Jahrzehnten werden diese Summen beträchtlich ansteigen.
Im Alter benötigt man intensivere medizinische Betreuung, keine Frage. Was aber ebenso wichtig ist, ist soziale Inklusion. Niemand sollte, nur weil er alt ist, vereinsamen. Eine Möglichkeit, hier gegenzusteuern, bietet das Konzept des Generationen-Wohnens. Mittlerweile gibt es auch hierzulande WGs, in denen junge und alte Menschen gemeinsam leben. Einigen dieser Wohngemeinschaften ist sogar eine Pflegestation angeschlossen, sodass im Notfall sofort fachkundiges Personal zur Stelle ist.
Für Menschen mit Demenz wurden in den letzten Jahren in Dänemark, Holland und in Deutschland so genannte Demenzdörfer errichtet. Menschen mit Demenz sollen sich hier geborgen und sicher fühlen. Kritiker jedoch meinen, dass man nichts damit erreiche, wenn man die Erkrankten in einem eigenen Dorf vom Rest der Gesellschaft abschotte.
Viele neue und zum Teil sehr positive Errungenschaften für alte Menschen kommen aus dem technischen Bereich. An zahlreichen Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen wird getüftelt, wie man ihnen ein selbstständiges Leben bis ins hohe Alter erleichtern kann. Um herauszufinden, welche technischen Lösungen Menschen in den eigenen vier Wänden helfen, stattete das Austrian Institute of Technology 50 private und betreute Wohnungen im Burgenland mit verschiedensten Geräten aus. Drei Jahre lang konnten die Bewohnerinnen und Bewohner über einen Tablet-Computer mit vereinfachter Bedienung etwa die Heizung oder das Licht steuern, wurden an Termine erinnert oder konnten mit Freunden und Verwandten Video-Telefonieren. Außerdem wurden wichtige Gesundheitsparameter, wie Blutzucker und Blutdruck bzw. das exakte Körpergewicht elektronisch aufgezeichnet und auch direkt an den Hausarzt weitergeleitet.
Ein kurioses, aber äußerst praktisches Highlight der technischen Alternsforschung ist die iToilet. Diese Toilette, die zurzeit an der TU Wien entwickelt wird, erkennt, wenn etwas mit dem Benützer nicht in Ordnung ist (zum Beispiel weil er/sie eine ungewöhnliche Sitzhaltung einnimmt oder besonders lange "am Örtchen" verweilt) und alarmiert selbständig Angehörige oder den Arzt. Und man kann das Klo auch mit Sprachbefehlen steuern, etwa, wenn man niedriger oder höher sitzen will.
Das Altern und die Pflege alter Menschen werden sicherlich auch in Zukunft keine einfache Sache sein. Allerdings: Angesichts der zahlreichen Konzepte und Ideen, die zurzeit getestet werden, ist etwas Optimismus angebracht.
Moderation: Christoph Leprich
Eine Sendung von Daphne Hruby, Lena Hallwirth, Christoph Leprich und Nora Kirchschlager.
Service
Dr.in Ulrike Famira-Mühlberger, PhD, Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung
Birgit Meinhard-Schiebel, Präsidentin der Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger
Dr.in Sigrid Pilz, Wiener Pflege-, Patientinnen- und Patientenanwältin
Dr.in Monika Schüssler, Geschäftsführerin der Generationen-WG der Österreichischen Jungarbeiterbewegung (ÖJAB)
Mag. (FH) Erich Fenninger, DSA, Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe Österreich
Dipl.-Ing. Paul Panek, Zentrum für angewandte assistierende Technologien der Technischen Universität Wien
Dipl.-Ing. Peter Mayer, Zentrum für angewandte assistierende Technologien der Technischen Universität Wien
Dipl.-Ing. Dr. Johannes Kropf, Austrian Institute of Technology
Dipl.-Ing. Julia Sauskojus, Urban Innovation Vienna GmbH
Vera Gallistl, MA, Institut für Soziologie der Universität Wien
Dr. Gerald Bachinger, NÖ Patienten- und Pflegeanwalt
Infos des Sozialministeriums zu Pflege und Betreuung in Österreich
Österr. Demenzstrategie
Pflegeportal Österreich
Alzheimer Austria
Infos der deutschen Alzheimergesellschaft zum Demenzdorf Hogeweyk
Eingezäunte Freiheit
AAL (Active & Assisted Living) Austria
AAL Testregion im Burgenland
Evaluierungsbericht zur AAL Testregion im Burgenland
Informationen zu AAL-Testregionen in Tirol und Vorarlberg
Forschungsprojekt WAALTeR - Technologie für SeniorInnen
Projektwebsite des iToilet-Forschungsprojekts mit einem Demo-Video am Ende der Seite
Infos zum Pflegeregress