Historische Aufnahme: Ausrufung der Republik vor dem Parlament in Wien.

ÖNB

Radiokolleg Spezial "1918"

Anatomie einer Zeitenwende.
Gestaltung: Günter Kaindlstorfer, Tanja Malle, Sabine Nikolay, Wolfgang Ritschl und Peter Zimmermann

Weichenstellung. Die Gesellschaft erfindet sich neu
Ab 1914 ziehen zehntausende Soldaten für Kaiser und Vaterland ins Feld, ab 1918 kehren jene, die überlebt haben, in ein unbekanntes Land zurück: Die Erste Republik. Der neue Staat ist wirtschaftlich nicht in der Lage, den ehemaligen Soldaten Arbeitsplätze und Perspektiven zu geben, zeichnet Peter Zimmermann nach. Die Versorgung der vielen traumatisierten und körperlich versehrten Personen ist schlecht. Allein die Literatur gibt der Figur des Kriegsheimkehrers eine Heimat. Als literarische Figur steht er für die Verlorenheit des Einzelnen nach dem Zusammenbruch des "Goldenen Zeitalters der Sicherheit", wie Stefan Zweig die Jahre vor 1914 charakterisiert hat.

Im Studio spricht Wolfgang Ritschl mit den Historikern Verena Pawlowsky und Harald Wendelin über die Anfänge des Sozialstaates in Österreich. Die Grundlage für das Gespräch ist ihr Buch: "Die Wunden des Staates. Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914 -1938". Denn aus der Frage, was der Staat mit den versehrten, den psychisch kranken, den verwaisten Menschen, die nach dem Ende des Krieges auf sich alleine gestellt sind, tun soll, entwickelt sich der Wohlfahrtsstaat. Das 1919 verabschiedete österreichische Invalidenentschädigungsgesetz war zu seiner Zeit europaweit einzigartig.

In ihren Anfangsjahren stellt die Erste Republik aber nicht nur die Weichen für den Sozialstaat, sondern verhandelt zahlreiche politische und wirtschaftliche Fragen neu, schildert Tanja Malle. Zwei gegensätzliche Entwürfe sind bis heute spürbar. Das rote Wien gegen die schwarzen Bundesländer.

Günter Kaindlstorfer und Sabine Nikolay schildern in ihren Beiträgen, welche Folgen der Schock des Ersten Weltkriegs auf die Kultur hat. Zum einen bringen die Roaring Twenties einen rasanten Aufstieg der Massenkultur. Die Menschen suchen Zerstreuung in Kinos und Kabaretts, der Jazz erobert - von den USA ausgehend - die Welt. Und das neuerfundene Massenmedium Radio verändert die Hörgewohnheiten. Zum anderen spiegeln Musik und Kunst die fundamentalen Entdeckungen innerhalb der Naturwissenschaften wider. Kunst beginnt, sich kritisch mit der Gesellschaft auseinanderzusetzen. Das einsame Künstlergenie ist passé, Künstlergruppen überschreiten Genregrenzen.

Moderation: Wolfgang Ritschl. Recherche der zeithistorischen Originaltöne: Michael Liensberger. Redaktion: Tanja Malle und Ina Zwerger.

Service

Die Hannes Androsch (Hrsg.): 1848-1918-2018 - 8 Wendepunkte der Weltgeschichte. Brandstätter Verlag

Vicki Baum: Menschen im Hotel, Roman, Kiepenheuer & Witsch

Hugo Bettauer: Der Herr auf der Galgenleiter, Roman, Milena Verlag

Dieter A. Binder, Ernst Bruckmüller: Essay über Österreich. Grundfragen von Identität und Geschichte 1918 - 2000, Böhlau Verlag

Ernst Bruckmüller: Symbole österreichischer Identität zwischen Kakanien und Europa, Picus Verlag

Marion Dotter und Stefan Wedrac: Der hohe Preis des Friedens: Geschichte der Teilung Tirols. 1918 bis 1922. Tyrolia Verlag

Heinz Fischer: 100 Jahre Republik: Meilensteine und Wendepunkte in Österreich 1918-2018. Czernin Verlag

Egon Friedell, Selbstanzeige, Löcker Verlag

Robert Gerwarth: Die Besiegten. Das blutige Erbe des Ersten Weltkriegs. Siedler Verlag

Christian Glanz, Hanns Eisler. Werk und Leben, erschienen in der Reihe "Neue Musikportraits", Edition Steinbauer

Anton Holzer: Die erkämpfte Republik: 1918/19 in Fotografien. Residenz Verlag

Pieter M. Judson: Habsburg. Geschichte eines Imperiums 1740 -1918. C.H. Beck

Christian Koller, Matthias Marschik (Hg.), Die ungarische Räterepublik 1919, Promedia

Helmut Konrad/Wolfgang Maderthaner: Das Werden der Ersten Republik: Der Rest ist Österreich. Gerold Verlag

Karl Kraus, Die letzten Tage der Menschheit, Suhrkamp

Andreas Latzko: Menschen im Krieg, Novellen, Milena Verlag

Hannes Leidinger und Verena Moritz: Umstritten, verspielt, gefeiert. Die Republik Österreich 1918/2018. Haymon Verlag

Ernst Lothar, Der Engel mit der Posaune, Zsolnay

Sarah Mohi von Känel: Kriegsheimkehrer. Politik und Poetik 1914 - 1939, Wallstein Verlag

Verena Pawlowsky und Harald Wendelin: Die Wunden des Staates Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914-1938. Böhlau Verlag

Anton Pelinka: Die gescheiterte Republik: Kultur und Politik in Österreich 1918-1938. Böhlau Verlag

Alfred Pfoser und Andreas Weigl: Die erste Stunde Null. Grünungsjahre der österreichischen Republik. 1918 - 1922. Residenz Verlag

Oliver Rathkolb: Die paradoxe Republik. Österreich 1945 - 2005. Zsolnay

Manfried Rauchensteiner: Unter Beobachtung. Österreich seit 1918. Böhlau Verlag

Walter Rauscher: Die verzweifelte Republik. Österreich 1918-1922. Kremayr und Scheriau

Joseph Roth: Die Flucht ohne Ende, Roman, Kiepenheuer & Witsch Verlag
Joseph Roth: Radetzkymarsch, dtv

Reinhard Schlüter: Der Haifisch. Aufstieg und Fall des Camillo Castiglioni, Zsolnay

Dieter Stiefel: Camillo Castiglioni oder Die Metaphysik der Haifische, Böhlau Verlag

Emmerich Talos unter Mitarbeit von Florian Wenninger: Das austrofaschistische Österreich 1933-1938, Lit Verlag

Volker Weidermann: Träumer. Als die Dichter die Macht übernahmen, Kiepenheuer & Witsch

Heinrich August Winkler: Weimar 1918 - 1933: Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie, C.H. Beck

Stefan Zweig, Die Welt von Gestern: Erinnerungen eines Europäers, Fischer TB

Sendereihe

Übersicht